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«Silver Tsunami» Bringt der demografische Wandel bei Immobilien eine Korrektur?

Wenn die Babyboomer ihre Häuser verkaufen, wird der Immobilienmarkt kippen, sagt ein Basler Demograf. Auch in den USA wird über die Folgen eines «Silver Tsunami» spekuliert.

Die Schweizer Immobilienpreise nehmen weiter zu. Grund dafür ist das anhaltende Bevölkerungswachstum.

Wer sein Geld hierzulande also in ein Eigenheim investiert, kann – so scheint es – nichts falsch machen.

Einer, der dies infrage stellt, ist Hendrik Budliger, Gründer des Kompetenzzentrums Demografik: «Die Preise, die wir heute sehen, sind falsch. Sie implizieren, dass die Preise immer weiter steigen.» Er rechnet mit einer Korrektur.

Viele Pensionäre, keine Kinder

Seine Vorhersage fusst auf zwei Annahmen. Erstens: Die Bevölkerungsprognose des Bundes ist übertrieben. Wahrscheinlicher sei das «tiefe Szenario», bei dem die Bevölkerung in der Schweiz ab 2043 abnimmt.

Grafik von SWI
Legende: Gerade hat das Bundesamt für Statistik seine neue Prognose veröffentlicht, demnach wird die Bevölkerung in den nächsten dreissig Jahren von 9 auf 10.5 Millionen weiter wachsen. Kai Reusser / SWI swissinfo.ch

Der Grund dafür ist die Entwicklung in der EU. Länder wie Deutschland oder Italien spüren bereits den Fachkräftemangel. Die arbeitstätige Bevölkerung nimmt ab. Sie reagieren darauf mit Steueranreizen und anderen Mitteln, um die Bevölkerung zu halten bzw. zurückzuholen. Eine Tendenz, die sich noch verstärken dürfte, so Budliger.

Zweitens erwartet er, dass durch die Verschiebung der Altersstruktur plötzlich viele Verkäuferinnen wenigen Käufern gegenüberstehen werden. «Wir haben über kurz oder lang zu viele Einfamilienhäuser und zu wenig Familien, welche diese Objekte nachfragen werden.»

Grafik SWI
Legende: Im Referenzszenario des BFS steigt die Zahl der über 65-Jährigen bis 2055 von 20 auf 25 Prozent. Kai Reusser / SWI swissinfo.ch

Die Auswirkungen werden laut Budliger allerdings regional sehr unterschiedlich ausfallen. In den grossen Zentren werde es zuletzt zu einer Korrektur kommen.

Der Tsunami trifft nicht alle

In den USA wird der demografisch bedingte Einbruch des Immobilienmarktes unter dem Begriff «Silver Tsunami» diskutiert.

Unter anderem auch von Sarah Dickerson, die an der Universität von North Carolina zu den sozialen Aspekten des Immobilienmarkts forscht: «Viele Babyboomer wohnen in Vorstädten und ländlichen Gebieten, was bedeutet, dass die frei werdenden Wohnungen möglicherweise nicht den Anforderungen von Personen in erwerbsfähigem Alter entsprechen, welche die Nähe zur Stadt bevorzugen.»

In der Schweiz droht laut der UBS jenen Regionen, die neben der Alterung auch mit einer Abwanderung zu kämpfen haben, «ein Szenario mit steigenden Leerständen und einem Abwärtstrend bei Eigenheimpreisen».

Dies treffe insbesondere auf die Bündner und Berner Bergregionen sowie das Tessin zu.

Für Claudio Saputelli, Leiter Immobilienanalyse bei der UBS, ist das aber eine regional begrenzte Entwicklung. Einen «Silver Tsunami», der auch das Mittelland erfassen könnte, sieht er nicht auf die Schweiz zukommen.

Was in 20 Jahren ist …

Laut dem Bundesamt für Statistik wächst die Schweizer Bevölkerung selbst im «tiefen Szenario» noch bis 2043 weiter, bevor sie langsam zurückgeht. Bis dahin wird der Wohnraumbedarf zunehmen.

Budliger sagt, genau diesen Zeitraum sollten heutige Immobilienkäufer jedoch in den Blick nehmen. Denn ein Haus benötige man als Bewohner rund 20 Jahre lang.

Brechen die Preise dann gröber ein, droht der heutigen Generation, für die eine Hypothek von einer Million Franken und mehr zur Normalität geworden ist, eine finanzielle Bruchlandung. Aber nicht nur ihr.

Mit rund 1.3 Billionen Franken ist das Hypothekarvolumen in der Schweiz nur rund ein Drittel tiefer als im neunmal grösseren Deutschland. Für Budliger ein – aus demografischer Sicht – gewaltiges Risiko.

Noch aber ist Budligers Warnung ein einsamer Ruf im Beton-Gold-Land-Schweiz.

10v10, 2.5.25, 21:50 Uhr;liea

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