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Terror durch bewaffnete Banden «Modernes Guernica»: Haitis verzweifelter Hilferuf an die Welt

Der Chef der Übergangsregierung zeichnet ein verheerendes Bild seines Landes: Banden kontrollierten die Hauptstadt, Hunderte Frauen und Mädchen im Land seien vergewaltigt worden, fast die Hälfte der Bevölkerung leide unter akuter Ernährungsunsicherheit, das Gesundheitssystem sei kollabiert.

«Dies ist das Gesicht Haitis heute: ein Land im Krieg, ein modernes Guernica, eine menschliche Tragödie.» Mit diesen Worten wandte sich Anthony Franck Laurent Saint Cyr, der Vorsitzende des Übergangspräsidialrats von Haiti, letzte Woche an die UNO-Generalversammlung. Sein Appell war klar: Es braucht konkrete und sofortige Eingriffe der internationalen Gemeinschaft, keine halben Massnahmen.

RSI-Bericht aus Haiti und New York (mit dt. Untertiteln)

Saint Cyr zeichnet ein verheerendes Bild: «Tausende Kinder sind der Bildung beraubt, Hunderte Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt und werden für immer die Narben dieser Gewalt tragen. Fast die Hälfte der Bevölkerung leidet unter akuter Ernährungsunsicherheit. Das Gesundheitssystem ist kollabiert.» Bis heute waren über 1.3 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen, die nun unter prekären Bedingungen leben.

Hauptstadt wird quasi von Banden regiert

Das Epizentrum des Konflikts ist die Hauptstadt Port-au-Prince: Bewaffnete Banden kämpfen um die Kontrolle über die Stadt und stossen mit dem zusammen, was von den staatlichen Institutionen übrig geblieben ist. Man schätzt, dass 90 Prozent des Territoriums inzwischen unter der Herrschaft der Banden steht.

Die Gewaltspirale hat ihre Wurzeln in der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021. Seither sind die demokratischen Institutionen gelähmt: Die letzten Wahlen fanden 2016 statt und kein amtierender politischer Vertreter verfügt über ein Wahlmandat. Die Führung des Landes liegt heute bei einem Übergangspräsidialrat, der das Land zu neuen Wahlen führen soll. Doch das dürfte sich schwierig gestalten, denn der Rat selbst ist gespalten. Seit seiner Bildung im April 2024 hat er bereits viermal den Präsidenten gewechselt, zudem war er bisher unfähig, die Expansion der Banden zu bremsen.

Internationales Eingreifen bisher erfolglos 

Die Geschichte Haitis ist von einer langen Spur gescheiterter internationaler Interventionen geprägt, von militärischen bis hin zu humanitären. 2010, als die UNO-Blauhelme nach einem verheerenden Erdbeben ankamen, schleppten sie versehentlich Cholera ein und verursachten über 10'000 Tote. Auch heute stehen unter allen UNO-Programmen am wenigsten finanzielle Mittel für die Krise in Haiti zur Verfügung.

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Im Versuch, die Sicherheit zu stärken, haben die Vereinten Nationen die Entsendung einer bewaffneten Truppe aus 2'500 internationalen Polizisten genehmigt. Nach über einem Jahr ist weniger als die Hälfte angekommen, mit praktisch keinen Auswirkungen auf die Sicherheit des Landes.

Mitglieder der Nationalpolizei feuern nach einem Angriff einer bewaffneten Bande ihre Waffen ab.
Legende: Viele internationale Interventionen zur Beendigung der Gewaltspirale in Haiti sind bisher gescheitert. Keystone

Im März schloss der Übergangsrat von Haiti ein Abkommen mit einem privaten US-Sicherheitsunternehmen ab. Es sollte einer Taskforce beibringen, Drohnen zu verwenden. Doch erst letzte Woche explodierten zwei Drohnen und töteten 13 Menschen, darunter acht Kinder. Nur vier Personen sollen mit bewaffneten Banden in Verbindung gestanden sein.

Die Krise in Haiti hat neue Migrationswellen verursacht, aber Schutz zu suchen, wird für die Menschen immer schwieriger. Die Vereinigten Staaten hatten unter der Biden-Administration den temporären Schutzstatus für Haitianer gewährt. Eine Massnahme, die von der Trump-Regierung widerrufen wurde. Sie hat die Rückführungen wieder aufgenommen.

RSI; Telegiornale; 29.9.2025; 20 Uhr; sten

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