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Tötungen von Frauen Muss der «Femizid» als Tatbestand ins Gesetz aufgenommen werden?

Das Wort «Femizid» kommt im öffentlichen Sprachgebrauch immer häufiger vor. Gemeint ist damit die Tötung einer Frau oder eines Mädchens aufgrund ihres Geschlechts. Damit wird das sexistische Motiv des Verbrechens betont. Im Strafgesetzbuch findet man das Wort aber nirgends.

Am Dienstag wurden in Neuenburg zwei Männer für schuldig befunden, eine Frau lebendig verbrannt zu haben. Im danach publizierten Communiqué war sowohl von «versuchtem Totschlag» die Rede als auch von «Femizid».

Diese Meldung offenbart das Dilemma mit dem Wort «Femizid»: In der Gesellschaft wird es zunehmend verwendet, im Justizwesen kommt es aber nicht vor. Das Gericht hat nur den «versuchten Totschlag» berücksichtigt. Es war ein Anwalt, der während des Prozesses von «Femizid» gesprochen hatte.

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Das Wort ist noch jung. Im Französischen wurde es 2015 ins Wörterbuch «Le Petit Robert» aufgenommen. Seine Verwendung nahm mit dem feministischen Streik von 2019 deutlich zu. Seither wird es in der Alltagssprache und in den Medien regelmässig verwendet, nicht aber bei den Institutionen.

Die Neuenburger Polizei war die erste in der Schweiz, die das Wort «Femizid» im Juni 2023 offiziell in einer Pressemitteilung verwendete. Es sei ein bewusster Entscheid gewesen, betont Georges-André Lozouet, der Sprecher der Neuenburger Polizei: «Diese Entscheidung wurde zusammen mit dem zuständigen Staatsanwalt getroffen.»

Erläuterungen zum Begriff «Femizid» im Beitrag von RTS:

Obwohl der Begriff rechtlich nicht existiere, habe man ihn verwendet, weil er Teil des Vokabulars der Gesellschaft geworden sei. Und weil es eine statistische Realität sei: In den letzten 20 Jahren seien im Kanton Neuenburg 95 Prozent der Fälle, bei denen eine Frau von einem Mann getötet wurde, im Kontext häuslicher Gewalt geschehen. Lozouet zieht daraus den Schluss: «Man muss die Dinge beim Namen nennen.»

Für manche zu politisch

Doch manchen Juristinnen und Juristen ist das Wort «Femizid» zu politisch aufgeladen. «Ich weigere mich, eine menschliche Tragödie zu benutzen, um eine Debatte zu nähren, die politisch ist und nicht zur Staatsanwaltschaft gehört», findet Béatrice Pilloud, die Generalstaatsanwältin des Kantons Wallis. «Die Staatsanwaltschaft muss das Gesetz anwenden und die Begriffe verwenden, die sich aus dem Strafgesetzbuch ergeben. Der Begriff ‹Femizid› existiert als solcher nicht.»

Ähnlich zurückhaltend sind die Kantone Bern und Genf. Ebenso der Kanton Jura, auch wenn es dort grundsätzlich erlaubt ist, den Begriff zu verwenden.

Gedenk- und Protestveranstaltung in Freiburg nach einem Femizid im vergangenen April.
Legende: Gedenk- und Protestveranstaltung in Freiburg nach einem Femizid im vergangenen April. Keystone / Jean-Christophe Bott

Nach Ansicht von Vincent Derouand, dem Kommunikationsverantwortlichen der Waadtländer Staatsanwaltschaft, würde die Aufnahme des Begriffs ins Strafgesetzbuch die Debatte klären. Denn je nach Definition werde etwas ganz anderes unter «Femizid» verstanden. «Einige meinen, dass es sich um einen Femizid handelt, sobald eine Frau getötet wird», argumentiert Derouand. «Andere haben eine nuanciertere Definition des Begriffs.»

Diese Debatte wird sicherlich an Bedeutung gewinnen. In der Schweiz wurden seit Jahresbeginn bereits 18 Femizide registriert. Einer davon wurde im Kanton Freiburg verübt. Danach reichten dort Mitglieder des Kantonsparlaments einen Vorstoss ein, der verlangt, dass der Begriff «Femizid» im Schweizer Strafgesetzbuch verankert wird.

SRF 4 News, 24.6.2025, 16 Uhr; sten

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