Sie gehören inzwischen vielerorts zum Stadtbild: Junge Menschen auf E-Bikes oder Rollern, mit eckigen Rucksäcken auf dem Rücken und Smartphones in der Hand. Ihre Dienste werden von der Kundschaft rege beansprucht.
In Anlehnung an den Fahrdienst-Anbieter Uber spricht man von der «Uberisierung» der Arbeit. Die französische Agentur für Gesundheit am Arbeitsplatz zeigt in einer neuen Studie am Beispiel der Essenslieferung auf, welche psychologischen Risiken mit dieser Form des Arbeitens verbunden sind.
Reportage von RTS über die Lieferdienste in Grenoble:
Die Arbeitskräfte seien ständig den Benachrichtigungen der Apps ausgesetzt, die ihnen neue Bestellungen anzeigen. Wenn sie diese nicht annähmen, riskierten sie, weniger Angebote zu erhalten, berichtet Mohamed Fofana gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS). «So bestrafen sie uns. Das ist Druck und sehr schlecht.»
Fofana arbeitet für die beiden grossen Lieferplattformen, die den Markt in Grenoble (Südostfrankreich) dominieren, und ist Präsident der Vereinigung unabhängiger Lieferanten von Grenoble.
Ein anderer Lieferant beklagt sich über eine «moderne Sklaverei», bei der man ständig sein Telefon im Auge behalten müsse, um keinen Auftrag zu verpassen.
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Einige Kuriere berichten von willkürlichen Kontosperrungen. Dafür reiche manchmal ein einfacher Kundenkommentar. «Die Plattform versucht nicht zu verstehen», beklagt sich einer von ihnen, «sie sperrt einfach das Konto.»
Diese selbstständigen Kuriere sind oft junge Männer ohne Bildungsabschluss, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben oder Migranten ohne gültige Aufenthaltspapiere. Laut Mohamed Fofana müssen einige von ihnen Konten mieten und unter Pseudonymen arbeiten.
Arbeit in Isolation
In ihrer Studie kritisiert die französische Agentur für Gesundheit am Arbeitsplatz die Algorithmen der Apps, die die Kuriere bewerten, bestrafen und sie dazu anregen, immer mehr zu leisten, um ein angemessenes Einkommen zu erzielen.
Ein weiterer Kritikpunkt, der in der Studie hervorgehoben wird: die Kuriere haben keinen Verhandlungsspielraum und keine physische Person, an die sie sich wenden können.
«Wenn du Probleme hast und den Kundendienst anrufst oder ihnen eine Mitteilung schreibst, gibt es keinen Ansprechpartner für Diskussionen. Sie antworten nicht, wenn du sie brauchst», berichtet Fofana. «Der Kurier ist den ganzen Tag draussen auf seinem Velo. Er denkt nur darüber nach, wie er seine Familie ernähren, wie er seinen Tag gestalten wird. Er ist isoliert.»
Die französische Studie spricht von einem «beängstigenden Arbeitsumfeld mit schädlichen Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit der Kuriere» und empfiehlt Gegenmassnahmen.
Als Reaktion darauf hat Uber France einen Fonds von zwei Millionen Euro für Initiativen im Bereich Gesundheit und Sicherheit angekündigt. Auf Anfrage von RTS erklärt das Unternehmen auch, dass es seinen Kundendienst verstärkt hat und seinen Lieferanten eine Versicherung gegen Unfälle und Berufskrankheiten anbietet.
Nach Ansicht von Mohamed Fofana muss vor allem eines erreicht werden: «Die Unternehmen müssen verstehen, dass ihre Lieferanten Menschen sind.»