Besonders in städtischen Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte ist der Platzmangel in Heimen gravierend. In der Westschweiz sind die Kantone Waadt und Genf am stärksten betroffen.
Der Bedarf nach Plätzen zur Platzierung von Kindern entsteht aufgrund schwieriger Familiensituationen, wie Misshandlung durch die Eltern, schwere Krankheit, Gefahren zu Hause oder finanzielle Probleme. Viele der betroffenen Kinder stehen wochenlang auf Wartelisten. Einige werden im Spital untergebracht.
Um diesem Problem zu begegnen, versucht der Kanton Genf in Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation Caritas, mehr Pflegefamilien zu rekrutieren und auszubilden. Es wird darüber diskutiert, diese Aufgabe zu professionalisieren – ähnlich wie es in Frankreich bereits der Fall ist.
Eine sich verschärfende Situation
Laut einer Untersuchung, die Mitte September von der Zeitung «Blick» veröffentlicht wurde, sind im Kanton Waadt im Jahr 2024 insgesamt 107 Kinder auf der pädiatrischen Abteilung eines Spitals untergebracht gewesen – im Vergleich zu 66 im Jahr 2022. Im ersten Halbjahr 2025 sind es bereits wieder 82 Kinder.
In Genf ist die Lage ähnlich: Dort kommt es jährlich zu 55 bis 100 Platzierungen von Kindern in Spitälern. Im Durchschnitt sind die Kinder drei Jahre alt, und sie bleiben etwa 40 Tage im Spital.
Der RTS-Beitrag zu den überlasteten Heimen:
Barbara Kaiser, Verantwortliche bei der Caritas für Pflegeplatzierungen in der Romandie, erklärt diese Zunahme gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) so: «Es geht nicht nur um eine Zunahme der Misshandlungen selbst, sondern auch um eine stärkere Aufmerksamkeit für den Kinderschutz.» Und sie ergänzt: «Gesellschaftlich wird dem Leben und den Rechten des Kindes immer mehr Bedeutung beigemessen. Gewalt gegen Kinder wird heute viel weniger toleriert.»
Die zentrale Rolle von Pflegefamilien
Kaiser beschreibt die Aufgabe einer Pflegefamilie so: «Es geht vor allem darum, ein Kind bei sich zu Hause in das eigene Familiensystem aufzunehmen, es einzubeziehen und in den Alltag zu integrieren. Das Kind kann in einem sicheren und warmen Umfeld leben und bekommt feste Bezugspunkte im Alltag.»
Oft sei die Unterbringung vorübergehend, und es handle sich nicht um eine Adoption. «Pflegefamilien werden von Caritas vergütet. Wir haben sogar einen Arbeitsvertrag mit den Familien, der auch Zugang zur zweiten Säule ermöglichen kann», betont Kaiser.
In der Schweiz ist das Pflegeeltern-Sein jedoch kein anerkannter Beruf. Es gibt keine Ausbildung dafür. «Die Aufnahme von Kindern ist ein echtes Abenteuer, mit Höhen und Tiefen, mit Freuden und Schmerz», berichtet Kaiser. «Um den besonderen Bedürfnissen dieser Kinder gerecht zu werden, ist es wichtig, dass Pflegefamilien unterstützt, gecoacht und auf die Realität dieser Kinder vorbereitet werden – Kinder, die oft Vernachlässigung oder Misshandlung erlebt haben.»