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Ungewöhnliche Nationalhymne Was den Schweizerpsalm so besonders macht

Sie ist nicht die erhabenste aller Nationalhymnen. Und nur wenige kennen sie auswendig. Doch bisher ist jeder Versuch gescheitert, sie zu ersetzen.

Als der ehemalige Nati-Fussballer Valon Behrami gefragt wurde, warum er bei der Nationalhymne nicht mitsinge, nannte er unter anderem als Grund, dass er sich den Text nicht merken könne.

Behrami befindet sich damit in guter Gesellschaft: Hierzulande können wohl nur die Wenigsten zumindest die erste Strophe auswendig.

Selbst der ehemalige Bundespräsident Moritz Leuenberger gab zu, dass er oft «nur die Lippen bewegte, weil ich die weiteren Verse nicht auswendig konnte».

Diese Aussage eines alt Bundesrats hätte Leonhard Widmer, dem Autoren des Textes, und Alberik Zwissig, dem Komponisten der Musik, nicht gefallen. Die beiden haben den Psalm in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts komponiert.

Konkurrenz durch einen Philosophieprofessor

Das Lied fand Anklang, verbreitete sich rasch und wurde schon bald bei nationalen Veranstaltungen gesungen. Bis es jedoch zur Nationalhymne wurde, sollten noch Jahrzehnte ins Land gehen.

Altes, vergilbtes Notenblatt
Legende: Die Partitur des Schweizerpsalms wird in der Nationalbibliothek in Bern aufbewahrt. Schweizerische Nationalbibliothek

Denn der Schweizerpsalm hatte einen Konkurrenten: «Rufst Du mein Vaterland», eine Komposition des Poeten und Philosophieprofessors Johann Rudolf Wyss.

Gott schütze den Schweizerpsalm!

Die beiden Texte waren sehr unterschiedlich. Der Inhalt der ersten Strophe des Schweizerpsalms lässt sich so zusammenfassen: «Die vom Morgenlicht erhellten Alpen flössen grossen Glauben ein und wecken den Wunsch, für das Vaterland zu beten.»

Die erste Strophe des Schweizer Psalms in den vier Landessprachen

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Deutsch:
Trittst im Morgenrot daher, Seh’ich dich im Strahlenmeer, Dich, du Hocherhabener, Herrlicher! Wenn der Alpenfirn sich rötet, Betet, freie Schweizer, betet! Eure fromme Seele ahnt Eure fromme Seele ahnt Gott im hehren Vaterland, Gott, den Herrn, im hehren Vaterland.

Französisch:
Sur nos monts, quand le soleil Annonce un brillant réveil, Et prédit d’un plus beau jour le retour, Les beautés de la patrie Parlent à l’âme attendrie; Au ciel montent plus joyeux Au ciel montent plus joyeux Les accents d’un coeur pieux, Les accents émus d’un coeur pieux.

Italienisch:
Quando bionda aurora il mattin c’indora l’alma mia t’adora re del ciel! Quando l’alpe già rosseggia a pregare allor t’atteggia; in favor del patrio suol, in favor del patrio suol, cittadino Dio lo vuol, cittadino Dio, si Dio lo vuol.

Rumantsch:
En l’aurora la damaun ta salida il carstgaun, spiert etern dominatur, Tutpussent! Cur ch’ils munts straglischan sura, ura liber Svizzer, ura. Mia olma senta ferm, Mia olma senta ferm Dieu en tschiel, il bab etern, Dieu en tschiel, il bab etern.

Das Gedicht von Wyss hingegen so: «Oh, wie gut, für das Vaterland kämpfend zu sterben! Ich hoffe, es geschieht mir, ich wünsche mir nichts Besseres.»

Je nach der Lage der Schweiz wurde die eine oder die andere Variante bevorzugt. 1961, als die Regierung aufgefordert wurde, einen Entscheid in dieser Angelegenheit zu treffen, bestimmte sie «Trittst im Morgenrot daher» zur Nationalhymne.

Diese provisorische Bestimmung galt 20 Jahre lang, bis der heutige Schweizerpsalm am 1. April 1981 auch rechtlich zur Nationalhymne wurde.

Die Änderungsversuche

Im Jahr 2004 brachte die damalige sozialdemokratische Nationalrätin Margret Kiener Nellen im Parlament einen Antrag zur Modernisierung der Hymne ein.

Menschen stehen auf einer Wiese, schauen auf Papier in ihren Händen.
Legende: Die Schweizer Landeshymne auswendig singen zu können, ist nicht allen gegeben. Keystone / Alexandra Wey

Sie war der Meinung, dass der Schweizerpsalm zu nationalistisch, zu kompliziert, zu bombastisch sowie frauen- und ausländerfeindlich sei. Wegen starken Widerstands im Parlament wurde der Antrag wieder zurückgezogen.

Rund zehn Jahre später versuchte es die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) und schrieb einen Wettbewerb aus.

Der Autor des Siegertextes, der Aargauer Werner Widmer, ersetzte die religiösen Bezüge durch moderne Verfassungswerte.

Die erste Strophe der Fassung von Werner Widmer auf Deutsch

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Weisses Kreuz auf rotem Grund, unser Zeichen für den Bund: Freiheit, Unabhängigkeit, Frieden. Offen für die Welt, in der wir leben, lasst uns nach Gerechtigkeit streben! Frei, wer seine Freiheit nützt, stark ein Volk, das Schwache stützt. Weisses Kreuz auf rotem Grund, unser Zeichen für den Schweizer Bund.

Alle Versionen auf der Website der SGG.

Nun musste die SGG den Text lediglich noch im ganzen Land bekanntmachen. Ein durchschlagender Misserfolg.

Von den 2300 Gemeinden, die aufgefordert worden waren, die neue Hymne am Nationalfeiertag zu verbreiten, folgten nur etwa 20 dem Aufruf.

Was denken Sie?

Bis zum nächsten Änderungsversuch wird also der Schweizerpsalm bestehen bleiben. Denn auch wenn er nicht modern ist, widerspiegelt er die Schweiz und ihre Politik gut: Weil er ein langsames Tempo hat, und weil er jene Lösung darstellt, die die geringste kollektive Unzufriedenheit hervorruft.

SRF 4 News, 01.08.2025, 5 Uhr

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