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Ehe für alle «Die Leute sind sich der Konsequenzen zu wenig bewusst»

Laut der neusten Familien- und Generationenstudie des BFS ist eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung dafür, dass Schwule und Lesben die gleichen Rechte haben sollen. Das gibt der «Ehe für alle» Auftrieb.

Schwer tut sich mit der Gleichstellung allerdings die EVP. Deren Präsidentin und Nationalrätin, Marianne Streiff, nimmt Stellung.

Marianne Streiff

Nationalrätin EVP

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Marianne Streiff ist Präsidentin der EVP und vertritt den Kanton Bern seit 2010 im Nationalrat.

SRF News: Haben Sie die Umfrageergebnisse überrascht?

Marianne Streiff: Nein, mich überrascht diese klare Zustimmung nicht. Ich denke aber, dass sich die Leute der Konsequenzen zu wenig bewusst sind, wenn es um die gleichen Rechte geht.

Mehrheit der Bevölkerung für Gleichberechtigung

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Laut der diese Woche vom Bundesamt für Statistik veröffentlichten Familien- und Generationenstudie 2018 findet eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung (65 Prozent der Frauen und 53 Prozent der Männer), homosexu­elle Paare sollten die gleichen Rechte haben wie heterosexuelle Paare. Auch sind mittlerweile nahezu sechs von zehn Frauen (58 Prozent) und vier von zehn Männern (43 Prozent) der Ansicht, dass ein Kind auch bei einem gleichgeschlechtlichen Paar glücklich aufwach­sen kann. 2013 waren erst 47 Prozent der Frauen und 32 der Männer dieser Ansicht.

Was sind denn die Konsequenzen?

Wenn es nur um die gleichen Rechte für zwei zusammenlebende Personen geht – wie Erbrecht, Altersvorsorge oder Besuchsrecht im Spital – dann kann ich verstehen, dass die meisten dafür sind. Auch ich finde, diese Rechte sollte man nicht einschränken.

Dann kommt auch die Forderung nach Leihmutterschaft. Und das geht zu weit.

Aber wenn wir Ja sagen zur «Ehe für alle», dann schafft das die Möglichkeit, wirklich die gleichen Rechte wie alle Ehepaare zu haben. Das heisst, auch Adoptionsrecht und das Recht auf Fortpflanzungsmedizin. Wenn also zwei schwule Männer das gleiche Recht wie lesbische Frauen wollen, also auch die Möglichkeit, eigene Kinder zu haben, kommt auch die Forderung nach Leihmutterschaft. Das geht einfach alles viel zu weit.

Sie sprechen die Leihmutterschaft an – doch die ist auch für heterosexuelle Paare in der Schweiz verboten.

Ja, aber die Diskussion lief bereits. Und mir haben schwule Männer schon gesagt, wenn Frauen das Recht haben, irgendwie mit Fortpflanzungsmedizin Kinder zu bekommen, wollen die Männer das auch. Es gibt einfach schrittweise eingeforderte rechtliche Konsequenzen, gegen die ich bin. Deshalb geht für mich der Begriff «Ehe» – und alles, was so gefordert wird – einen Schritt zu weit.

Also, Sie befürchten eigentlich eine Salamitaktik bei diesem Thema. Zuerst die rechtliche Gleichstellung und nachher geht es dann auch in die Fortpflanzungsmedizin hinein.

Wenn es um eine Ehe wie bei anderen Ehepaaren geht, dann wird das jetzt schon von Homosexuellen gefordert. Also, in Richtung Fortpflanzungsmedizin. Und deshalb sage ich, das kann man nicht unter den gleichen Begriff «Ehe für alle» nehmen.

Das Gespräch führte Iwan Santoro

Reformierte Kirche zur «Ehe für alle»

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Heute Nachmittag befasst sich die Reformierte Kirche mit dem Thema «Ehe für alle». Ende August hat der Rat des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes beschlossen, die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare auf zivilrechtlicher Ebene zu befürworten. Er empfiehlt den Mitgliedkirchen des Kirchenbundes, einen allfällig erweiterten zivilrechtlichen Ehebegriff als Voraussetzung für die kirchliche Trauung zu übernehmen. Während Kirchenbundspräsident Gottfried Locher hinter dem Entscheid steht, gibt es grossen Widerstand von mehreren Pfarrern. Die «Ehe für alle» wird voraussichtlich im nächsten Frühling auch in National- und Ständerat beraten.

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