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«Club» auf der Spur des Bösen Liegt das Böse in den Genen?

Immer wieder erschüttern Mordfälle die Schweiz. Auch, weil die Täterinnen und Täter aus unserer Mitte stammen.

Bei Georg Metger, dem hinterbliebenen Partner und Ziehvater im Vierfachmord von Rupperswil, hat der Tag, an dem der Mörder gefasst wurde, gemischte Gefühle ausgelöst: «Einerseits ist man natürlich froh, dass man es weiss. Andererseits beginnt dann etwas sehr Schlimmes, weil man erfährt, dass es jemand aus unserer Nachbarschaft war, dass man ihn vielleicht sogar einmal beim Spazieren gesehen hat», sagt er in der Sendung «Club».

«Kein Mensch kommt böse auf die Welt»

Auch angesichts der schrecklichsten Morde ist für Christina Stadler klar: «Kein Mensch kommt böse auf die Welt.» Die Entwicklungspsychopathologin erforscht mit ihrem Team an der Universität Basel, wie es bei Jugendlichen zu aggressivem Verhalten kommt. «Es gibt eine genetische Voraussetzung», das zeige die Forschung eindeutig.

Stadler war an einer Studie beteiligt, bei der Hirnfunktionen in einem Scanner untersucht wurden. «Es gibt Unterschiede zwischen Jugendlichen, die aggressives Verhalten zeigen und denen, die es nicht tun. Diese betreffen vor allem die Strukturen im Gehirn, die mit der Emotionsverarbeitung und -regulierung zu tun haben.»

Bei Jugendlichen mit aggressivem Verhalten und dissozialen Störungen ist diese Hirnregion weniger aktiv: «Das heisst, sie haben weniger Empathie», so Stadler «Und wenn ich nicht spüre, dass mein Gegenüber leidet, werde ich mein Verhalten nicht ändern.»

Nicht alles genetisch

Die Genetik alleine kann jedoch nicht erklären, weshalb jemand gewalttätig wird. Es braucht noch mehr, damit sich das Böse Bahn bricht.

«Damit die Prädisposition zu einem ungünstigen Entwicklungsverlauf führt, braucht es zum Beispiel ein sehr ungünstiges Umfeld», welches etwa durch Gewalterfahrungen und Vernachlässigung in der Kindheit geprägt ist.

Die Neurowissenschaftlerin wünscht sich, dass Präventionsarbeit auf das Umfeld fokussiert: «Die Genetik können wir nicht verändern. Wir können aber bei Kindern, die schon früh auffällig sind, die zusätzlichen Risikofaktoren genau anschauen.» 

Begutachter des Bösen

Auch für den forensischen Psychiater Marc Graf ist klar: «Nicht jeder von uns kann ein Mörder werden. Aber fast alle können unter bestimmten Umständen – wenn diese lange andauern und sehr belastend sind – schlimme Straftaten begehen.» 

Als Begutachter sitzt er regelmässig Mördern und Vergewaltigern gegenüber. Was reizt ihn daran, in menschliche Abgründe zu blicken? «Man kann einen Menschen in seiner Tiefe kennenlernen. Wenn man ihn mit einer gewissen Härte, aber konstruktiv konfrontiert, kommt man schnell zum Kern. Man kann ihm erklären, was bei der Tat bei ihm abgelaufen ist». 

Wenn eine Therapie die Veranlagung, die zur Tat geführt hat, nicht verändern kann, teilt Graf das dem Gericht mit und der Täter wird in der Regel verwahrt: «Das ist gesellschaftlich sicher richtig, aber aus der Perspektive eines Therapeuten gibt man den Menschen auf.»

Allen Gästen im «Club» ist das «Böse» in irgendeiner Form bereits begegnet. Und doch glauben sie an das Gute im Menschen: «Das will ich mir nicht nehmen lassen», bekräftigt Rechtsmediziner Daniel Eisenhart.

Auch für Georg Metger sind es die guten Erinnerungen, die ihn den Schmerz verarbeiten lassen: «Fotos von früheren Reisen, die letzten WhatsApp-Nachrichten, die ich immer wieder einmal lese. Es katapultiert einen dann wieder zurück in eine schöne Zeit.»

Club, 24.01.2023, 22:25 Uhr

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