An einem Mittwochabend im Gemeindesaal einer jüdisch-orthodoxen Gemeinde in Zürich herrscht eine festliche Stimmung.
Der Raum ist traditionell in zwei Hälften geteilt: Auf der einen Seite sind die Männer, die alle eine Kippa – die jüdische Kopfbedeckung – tragen, und auf der anderen Seite befinden sich die Frauen in knielangen Röcken.
Bevor die Feier beginnt, tritt David, in einen eleganten schwarzen Anzug und Hut gekleidet, in den mit Häppchen und Getränken ausgestatteten Saal. Mit einem breiten Lächeln überreicht er seiner zukünftigen Frau Shoshana Schraer den Verlobungsring.
Herausfordernde Suche
Der Weg bis zur Verlobung war kein einfacher. Der Finanz- und Versicherungsberater und leidenschaftliche Powerlifter meint dazu: «Der jüdische Glaube hat einen starken Einfluss auf mein Dating-Leben; er ist auch der Grund, wieso ich gedated habe.»
Er wollte eine Partnerin, die die Prinzipien des orthodoxen Judentums teilt. Seine Suche war herausfordernd, da keine Frau seinen hohen Erwartungen gerecht wurde. Doch nun hat er seine Traumfrau gefunden. Über eine Online-Matchmaking-Plattform lernte er Shoshana Schraer aus Panama kennen.
Ihre ersten Dates fanden über Videoanrufe statt. David war sofort von Shoshanas Profil überzeugt: Sie schien gross, sportlich und gut aussehend und auf dem gleichen religiösen Level wie er zu sein.
David erzählt, dass er gleichzeitig drei verschiedene Vorschläge erhielt: «Einen lehnte ich sofort ab, da die politischen Einstellungen nicht mit meinen übereinstimmten, den zweiten akzeptierte ich, um nicht zu wählerisch zu wirken. Der dritte und letzte Vorschlag schliesslich war Shoshana, welche mich sofort überzeugte.»
Wir dürfen uns bis zur Hochzeit nicht berühren.
Nach einigen Videodates lud Shoshana David bereits zu sich nach Panama ein, wo sie eine Woche zusammen verbrachten. Sie lernten sich besser kennen, stellten einander Fragen, um ihre Werte und Lebensziele abzugleichen.
Körperliche Berührungen waren jedoch tabu, denn im orthodoxen Judentum ist es verboten, Personen des anderen Geschlechts anzufassen. «Wir dürfen uns bis zur Hochzeit nicht berühren», betont David.
Das Mutter-Sohn-Gespräch
Bis der selbstständige Finanz- und Versicherungsberater verheiratet ist, wohnt er noch bei seinen Eltern. Mit seiner Mutter Esther spricht er offen über sein Dating-Leben. Meistens unterhalten sich die beiden im Wohnzimmer darüber. «Ich habe immer gesagt, du suchst ein rosa Einhorn mit grünen Streifen. Das gibt es nicht, was du suchst», lacht Esther in Richtung ihres Sohnes. Mit einem Hauch von Sarkasmus fügt sie hinzu: «Man würde dir niemals ansehen, dass du verliebt bist, niemals!»
David hielt seine Familie stets auf dem Laufenden, denn es ist auch die Aufgabe der Eltern, sich über mögliche Partnerinnen zu informieren und sicherzustellen, dass diese auch wirklich passen könnten.
David war sich ziemlich sicher, dass er und Shoshana gut zusammenpassen. Doch endgültige Gewissheit hatte er erst, als Shoshana ihn einige Wochen nach seiner Panama-Reise in Zürich besuchen kam. Zwei Wochen verbrachten sie gemeinsam in der Schweiz, mit dem Ziel, sich für oder gegen eine Verlobung zu entscheiden.
Das Leben ist teilweise auch langweilig. Erst durch Shoshana habe ich gemerkt, dass mir etwas im Leben fehlt.
Doch David begleiten auch Unsicherheiten und die Angst vor Veränderungen. «Jeder hat Angst vor dem Heiraten, das ist normal, es wäre komisch, wenn du keine Angst hättest. Die Frage ist, ob du überhaupt heiraten möchtest», beruhigt ihn seine Mutter. Heiraten wolle er sicher: «Das Leben ist teilweise auch langweilig. Erst durch Shoshana habe ich gemerkt, dass mir etwas im Leben fehlt», erwidert er.
Shoshanas Ankunft
David fuhr durch das regnerische Zürich zum Flughafen, um Shoshana abzuholen, in der Hoffnung, dass ihr die Schweiz gefällt. Im Fall einer Hochzeit würde Shoshana in die Schweiz ziehen, das war Davids Bedingung, schon vor dem ersten Kennenlernen.
Am Flughafen war das Wiedersehen warmherzig, Shoshana strahlte, als sie David sah. Umarmen durften sie sich nicht. Er drückte ihr den Strauss Blumen in die Hände und sie machten sich auf den Weg zu seinen Eltern, wo Shoshana ihre potenziellen Schwiegereltern zum ersten Mal sehen würde.
Die zwei Wochen in der Schweiz waren vollgepackt mit abwechslungsreichen Aktivitäten und Dates. David und Shoshana verbrachten ihre Zeit mit Billard und Lasertag spielen, gingen gemeinsam ins Fitnessstudio und besuchten Davids Grossmutter im Altersheim. Bei einem Date in der Billardhalle gestanden sich David und Shoshana ihre Liebe und strahlten sich die ganze Zeit über an.
Sie träumten von einer gemeinsamen Zukunft und schwelgten in den Erinnerungen an ihre Zeit in Panama. Dabei überhäuften sie sich mit Komplimenten und versicherten einander, wie sehr sie zusammenpassen würden.
Gemeinsame Zukunft in der Schweiz
Am Tag der Verlobung erklärt David: «Ich fand alle Antworten auf meine Fragen, sah sie in verschiedenen Stimmungen und Situationen. Da wusste ich, dass es Sinn machen würde, sie zu heiraten. So machte ich ihr den Antrag, und sie sagte ja.»
Zwei Tage nach dem Antrag versammeln sich zahlreiche Gäste zu ihrer Verlobungsfeier im Gemeindesaal. Am Ende der Feier strahlen sich David und Shoshana an und freuen sich auf ihre gemeinsame Zukunft in der Schweiz.