Die steinige Landschaft des Gotthardpasses erinnert an die Mondoberfläche. Ein schmaler, dunkler Tunnel führt im Gotthard-Gebirge zu einem Bunker. Nach etwa zehn Minuten Fussweg durch die kalten, feuchten Gänge erreichen die Studierenden den Bunker, wo sie für zwei Wochen das Leben auf dem Mond simulieren. Diese Art von Übung wird als «analoge Mondmission» bezeichnet.
Sechs Studierende wurden ausgewählt, um die Zeit im Bunker zu verbringen. Gleichzeitig arbeiten weitere Studierende im Mission Control Center, dem Kontrollraum der Mission. Alle Beteiligten sind internationale Studierende, von denen die meisten das Ziel haben, eines Tages Astronauten zu werden.
Nach einem anspruchsvollen Auswahlverfahren haben sich die Studierenden ein Jahr lang auf diese Mission vorbereitet. In dieser Zeit lernten sie sich kennen, wuchsen als Team zusammen und absolvierten verschiedene Trainings, unter anderem in Italien und Andorra.
Der Weg zum Astronauten ist jedoch sehr schwierig. «Astronautin zu werden, wäre mein absoluter Traum, aber ich halte es für eher unrealistisch», sagt Anna Zimmermann, die Teil der Mission ist. Die Europäische Weltraumorganisation ESA hat 2021 nach 14 Jahren erstmals wieder Bewerber ausgewählt: Von 23'000 Bewerbenden wurden nur fünf angenommen.
Anna selbst ist während der Mission nicht Astronautin im Bunker, sondern im Mission Control Center tätig. Der Raum erinnert an ein Call-Center, in dem die Studierenden mit Headsets an ihren Tischen sitzen, um den Ablauf so realistisch wie möglich zu gestalten. Als Medizinstudentin ist Anna für die Gesundheit der Astronautinnen und Astronauten verantwortlich und steht bei Bedarf in direktem Kontakt mit den isolierten Teammitgliedern.
Am Tag des Beginns der Mondmission ist die Stimmung im Mission Control Center angespannt und alle sind hoch konzentriert. Die analogen Astronautinnen und Astronauten verbrachten den Vorabend bereits in Quarantäne, um sicherzustellen, dass keine Erreger von der Erde mitgenommen werden – genau wie bei einer echten Weltraummission.
Die analogen Astronauten sitzen im Warteraum bis zum simulierten Raketenstart, während sie durch eine Glasscheibe vom Mission Control Center aus beobachtet werden können. Mithilfe eines Countdowns wird der Raketenstart simuliert und auf einer Leinwand projiziert. Auch Claude Nicollier, der erste und bisher einzige Schweizer Astronaut, der im All war, ist anwesend und begleitet den Start der analogen Mondmission.
Claude Nicollier übernimmt bei «Asclepios» eine Mentorrolle und war am Auswahlprozess beteiligt. Der ehemalige Astronaut bestätigt: «Die Auswahl der Astronauten und das gesamte Training sind so gestaltet, dass sie echten Weltraummissionen möglichst nahekommen.»
Die zweiwöchige Isolation im Bunker
Während der zweiwöchigen Mission müssen die Teilnehmenden täglich Sport treiben, um ihre Muskel- und Knochenmasse zu erhalten – ein unverzichtbarer Bestandteil des Lebens im All. Ein weiterer zentraler Aspekt der Mission sind wissenschaftliche Experimente, wie das Testen von Weizenarten, die unter mondähnlichen Bedingungen gedeihen könnten. Diese Experimente, die von Doktoranden durchgeführt werden, sind Teil der Forschung verschiedener Universitäten.
Im Bunker gelten während dieser zwei Wochen strenge Regeln und Bedingungen. «Nur zweimal in zwei Wochen duschen zu können, obwohl wir täglich Sport treiben, wird eine Herausforderung», sagt einer der Astronauten. Die Teilnehmenden schlafen in einem Gemeinschaftsschlag, und es gibt keinerlei Privatsphäre. «Die Isolation und die dehydrierte Nahrung machen die Mission sehr authentisch», ergänzt ein anderer analoger Astronaut.
Neben den Experimenten und der Isolation im Bunker sind auch Ausseneinsätze Teil der Mission. Dabei ziehen die Astronauten Weltraumanzüge an und gehen nach draussen, um Aufgaben zu erfüllen, die sie auch auf dem Mond erledigen würden. Der wesentliche Unterschied zur echten Mondmission ist lediglich die fehlende Schwerelosigkeit, die in der Simulation nicht nachgestellt werden kann.
Nach der Halbzeit der Mission berichtet Anna aus dem Mission Control Center über ihre bisherigen Eindrücke: «Ein Unwetter war angekündigt und wir mussten ein Notfallprotokoll erstellen, um auf einen möglichen Stromausfall vorbereitet zu sein. Dieser hätte Auswirkungen auf die Lüftung und Heizung gehabt. Glücklicherweise blieb dieser Notfall aus, und alles verlief gut.»
Einmal pro Woche führt Anna psychologische Abklärungen mit den analogen Astronauten per Telefon durch. Sie erklärt, dass die ersten Tage besonders herausfordernd waren, da die Prozesse länger dauerten als erwartet und die Teilnehmenden wenig Schlaf bekamen. «Natürlich gibt es ab und zu kleinere Auseinandersetzungen, wie Zickereien, aber nichts Ernstes», fügt sie hinzu.
Neben ihrer Arbeit im Mission Control Center ist Anna derzeit im Auswahlverfahren für die nächste «Asclepios»-Mission, dieses Mal als analoge Astronautin. Damit arbeitet sie darauf hin, ihrem Traum, Astronautin zu werden, einen Schritt näherzukommen.