Der Musiker Dino Brandão leidet unter einer bipolaren Störung. Sein Freund und Regisseur Moris Freiburghaus begleitet Brandão während einer manischen Phase. Daraus ist der Film «I love you, I leave you» entstanden. Das sei ein wichtiges Dokument, sagt Christian Pfister, der sich für Angehörige von Menschen mit psychischen Krankheiten einsetzt.
SRF News: Sie sind selbst Angehöriger von Personen mit psychischen Erkrankungen. Was bedeutet das in ihrem Fall?
Christian Pfister: Ich war mein ganzes Leben lang ein Angehöriger. Ich hatte einen Vater, der immer in Not war, ich kam also früh mit dem Thema in Berührung. Und leider Gottes ist eines meiner Kinder vor 15 Jahren schwer psychisch erkrankt. Ich habe am eigenen Leib erfahren, was das bedeutet und was das mit einem macht. Man muss sich auf eine Reise begeben. Man muss lernen, damit man selber nicht untergeht.
Was hat der Film «I love you, I leave you» in Ihnen ausgelöst?
Der Film hat mich unheimlich berührt. Ich habe so was noch nie gesehen. Ich glaube, Moris Freiburghaus und Dino Brandão haben hier ein Geschenk gemacht, weil sie etwas ausleuchten, was normalerweise nicht verständlich ist. Vor allem für Menschen, die mit dem Thema der grossen psychischen Notlagen gar nicht in Berührung kommen.
Weshalb kann es so schwer sein, über psychische Erkrankungen zu reden oder zu verstehen, was in Betroffenen vor sich geht?
Das ist eine grosse Frage. Gesellschaftlich gesehen ist es sehr schwierig, sich als psychisch krank zu outen. Und wenn man sich als Angehöriger outet, outet man sein Netzwerk mit. Das kann auch zu sozialer Ächtung führen.
Es ist sehr wichtig, dass Leute hinstehen und dem Ganzen ein Gesicht geben.
Der zweite Faktor ist natürlich, dass es überwältigend ist. Es ist gar nicht so einfach, diese Erfahrungen mit Menschen zu teilen, die das nicht kennen. Dieser Film ist ein Versuch, dafür Bilder zu geben, was da passiert. Drittens glaube ich, dass es unheimlich wichtig ist, dass wir das gesellschaftlich als etwas betrachten, das zu unserem Leben dazugehört.
Dino Brandão erlebt im Film eine psychische Krise. Darf man einen Menschen in einer so schwierigen Situation zeigen?
Ich glaube, Dino Brandão ist sehr intelligent, er hat das ganz bewusst entschieden. Und er hat verschiedentlich gesagt, dass er es war, der Regisseur Moris Freiburghaus dazu angehalten hat, diesen Film zu machen. Es ist sehr wichtig, dass Leute hinstehen und dem Ganzen ein Gesicht geben und eben auch sehr intelligent und einfühlsam über diese Themen sprechen, so dass Andere die Möglichkeit haben, das zu verstehen.
Was braucht es, damit Filme über psychische Krankheiten funktionieren?
Ich glaube, es braucht Bekanntheit. Man muss den Mut haben, diesen Film immer und immer wieder zu zeigen. Vielleicht im Kontext von Gesprächsrunden: Dass der Film nicht einfach alleine gezeigt wird, sondern, dass man darüber sprechen kann.
Das Gespräch führte Reena Thelly.