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Sportlerin der Superlative Wie wird man zur «Greatest Of All Time»?

Was eine Ausnahmesportlerin oder einen Ausnahmesportler vom Grössten aller Zeiten unterscheidet.

Der Schweizer Tennis-Star Roger Federer soll es sein oder der Sprinter Usain Bolt, Schwimmer Michael Phelps oder Simone Biles: der oder die GOAT. Nein, keine Ziege («Goat») auf English, sondern «The Greatest Of All Time» – also der oder die Grösste aller Zeiten.

Den Begriff geprägt hat die US-Kunstturnerin Simone Biles, die beste in ihrer Sportart. Das sagt auch Roman Schweizer. Der ehemalige Profikunstturner kommentiert für SRF die olympischen Kunstturnwettkämpfe in Paris: «Biles dominiert das Kunstturnen seit rund elf Jahren.»

«Sportart auf neues Niveau katapultiert»

Mit 16 wurde Biles das erste Mal Weltmeisterin im Mehrkampf und war in dieser Zeit mitunter dreimal erfolgreich bei Olympia. «Sie hat die Sportart auf ein neues Niveau katapultiert, indem sie neue Elemente erfunden hat. Es sind so schwierige Elemente, dass ich behaupten würde, dass man das in den nächsten 20, 30 Jahren nicht mehr sehen wird im Kunstturnen der Frauen.»

Simone Biles' Palmares

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Die heute 27-jährige Simone Biles hat bereits 30 WM-Titel und sieben olympische Medaillen gewonnen, darunter viermal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze. Biles hat zudem fünf neue Sprungelemente erfunden.

Wenn Biles in der olympischen Wettkampfhalle aufläuft, ist die Stimmung besonders. Das liegt auch am Publikum. Dort sitzen Grössen wie Anna Wintour, Tom Cruise oder Lady Gaga und applaudieren der Kunstturnerin. «In Paris merkt man, dass sie auch ausserhalb ihrer sportlichen Erfolge eine Vorbildrolle darstellt, im Umgang mit Menschen zum Beispiel», sagt Schweizer. «Das fasziniert viele.»

Biles gelingt bei den Olympischen Spielen ein Comeback: Die Spitzenathletin hat ein grosses Tief überwunden. Bei den Olympischen Spielen in Tokyo 2021 war sie als Favoritin angetreten. Doch eine mentale Blockade hat ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Die Drehungen funktionierten nicht mehr, sie wusste nicht mehr, wo oben oder unten war, konnte nicht mehr turnen. Biles hat den Wettkampf vorzeitig abgebrochen, auf weitere Medaillen verzichtet und ist eine Weile von der Bildfläche verschwunden.

Nahaufnahme einer Turnerin mit blauer Haarspange.
Legende: 2021 in Tokyo hat Simone Biles Olympia wegen mentaler Probleme abgebrochen. REUTERS/Lindsey Wasson

Ob sie je wieder zurückkommen würde, war damals nicht klar. «Eine solche Blockade kann das Karriereende bedeuten», sagt Schweizer. «Wenn du nicht mehr weisst, wo du in der Luft bist, wenn du viele Saltos und Schraubenrotationen drehst, ist das gefährlich.»

Doch Biles ist zurückgekommen zu den Basics, hat wieder alles aufgebaut und mit ihrem neuen Sprung «Biles 2» in Paris gezeigt, dass es aufwärts geht mit ihr.

Von der Ausnahmesportlerin zur GOAT

Das klingt beeindruckend. Aber was macht eine Ausnahmesportlerin zur besten aller Zeiten? Für Roman Schweizer ist es, dass sie bewiesen habe, dass sie wieder aufstehen könne. «Um eine GOAT zu werden, braucht es mehr als sportlichen Rekorde. Es braucht eine gewisse Strahlkraft, die über das Sportliche hinausgeht.»

Turnerin an den Stufenbarren bei den Olympischen Spielen.
Legende: Hat den Sprung zurück auf die grosse Bühne geschafft: Simone Biles an Olympia 2024. Reuters / USA TODAY Sports, Kyle Terada

Gleicher Meinung ist Sporthistoriker Stephan Wassong, Direktor des Zentrums für Olympische Sportstudien an der Deutschen Sporthochschule Köln. «Für mich sind GOAT etwas Besonderes. Menschen, die durch hervorragende sportliche Leistungen auftreten, die aber auch über die sportlichen Leistungen hinaus eine besondere Charakterstärke zeigen.»

Laut Wassong zeigen GOAT Selbstdisziplin und Selbstvertrauen, haben eine Persönlichkeitsstruktur, die sich über lange Zeit hinweg entwickelt hat und teilweise auch vorzeigbar ist.

«GOAT» gab es schon in der Antike

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Wie Sporthistoriker Stephan Wassong sagt, hat es schon in der Antike Begriffe gegeben für ausserordentlich talentierte Sportler. «Bei den antiken Spielen hat man die Athleten, die bei allen vier Kranzwettbewerben – also bei den Olympischen Spielen und bei den Spielen in Nemea – gewonnen haben, als Periodonike bezeichnet. Es war also auch eine Ehrenbezeichnung, die sich vielleicht vergleichen lässt.»

Sportlegenden gab es also schon immer. In der Antike waren es die Periodoniken, heute die GOAT.

Dieser Begriff wird laut dem Oxford Dictionary seit den 1990er-Jahren rege gebraucht. Eingeführt haben soll ihn der legendäre US-Boxer Muhammad Ali in den 1960er-Jahren.

Doch: Auch GOAT haben Schwächen. Bei Simone Biles sei es der Stufenbarren, sagt Roman Schweizer. Dort hat sie es am Sonntag nicht ins Finale geschafft. Aber dort, wo sie brilliert – am Boden und auf dem Sprung – wird Biles wohl am Dienstag beim Teamfinale der Frauen wieder im Einsatz sein.

Olympische Sommerspiele 2024

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Bis zum 11. August 2024 finden in der französischen Hauptstadt Paris die Olympischen Sommerspiele statt.

SRF begleitet den weltweit grössten Sportevent täglich von früh bis spät und berichtet insgesamt rund 240 Stunden aus Paris. Hier finden Sie alle SRF-Inhalte rund um den Grossanlass Olympische Spiele 2024.

SRF 4 News, 29.7.2024, 16:00 Uhr ; 

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