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1. Wahlgang Präsidentenwahl Klare Fronten für die Stichwahl in Rumänien

Die extreme Rechte ist die Gewinnerin in Rumänien. Das gilt für die Wahlen vom letzten November, und das gilt auch jetzt wieder – in noch grösserem Ausmass. Der 38-jährige Ultranationalist George Simion holte am Sonntag 41 Prozent der abgegebenen Stimmen, viel mehr als der inzwischen ausgeschlossene Calin Georgescu.

Der damals praktisch unbekannte, rechtsextreme Kremlfreund Georgescu hatte im November 2024 den ersten Wahlgang gewonnen, auch dank Manipulationen auf Tiktok. Er verherrlicht die Faschisten der Zwischenkriegszeit und inszeniert sich als Erlöser der Nation.

Vertrauen in die Politik ist weg

Doch die Annullierung der Wahl und der Ausschluss von Georgescu haben die Proteststimmung in weiten Teilen der Bevölkerung nur noch befeuert und Simion, der sich als Statthalter und Vertrauter von Georgescu gebärdet, einen Erdrutschsieg beschert.

Das Vertrauen in die etablierte Politik und in die Institutionen ist auf einem Tiefpunkt – nicht zu Unrecht, denn sie tragen Mitverantwortung für das Wahldebakel im letzten Jahr. Viele Menschen, die genug von Intransparenz und der Selbstbereicherung der politischen Elite haben, hoffen auf einen Neuanfang und wählen radikal rechts.

Krawall statt Inhalte

Doch Simion ist nicht Georgescu, und er hat sich mit Letzterem wohl vor allem aus taktischen Gründen zusammengetan. Simion ist in Rumänien eine bekannte Figur, er wurde in einer ultranationalistischen Bewegung gross, die auf den Strassen und in Fussballstadien für ein Grossrumänien Stimmung machte, auch mit Gewalt.

Während der Corona-Pandemie inszenierte er sich als Kämpfer gegen das Establishment und Retter der Nation. Er gründete eine Partei, die inzwischen im Parlament sitzt und ultranationalistische, EU-skeptische Positionen vertritt, die schlussendlich Russland zugutekommen.

Simion steht für Krawall statt Inhalte, versucht in letzter Zeit aber, gemässigter aufzutreten. Er sucht den Schulterschluss mit US-Präsident Donald Trump und mit europäischen Rechtspopulisten wie der polnischen PiS oder Italiens Giorgia Meloni. Und er sagt, Russland sei eine Bedrohung. Wo Simion genau steht, ist unklar. Aber er ist definitiv ein gewiefter Machtpolitiker.

Ehrlichkeit und Hartnäckigkeit

Simion gegenüber steht in der Stichwahl der Bürgermeister von Bukarest, der 55-jährige Nicusor Dan, der rund 21 Prozent der Stimmen holte. Mit seinem nüchternen, etwas hölzernen Auftreten und seinen proeuropäischen Positionen ist er die Antithese zum Populisten Simion.

Bei Dan weiss man, wen man wählt: einen ehrlichen, hartnäckigen Politiker, der ausserhalb des bisherigen Machtklüngels steht und das System reformieren will. Dan wurde als zivilgesellschaftlicher Aktivist bekannt, der gegen die Immobilienspekulanten der Hauptstadt kämpfte.

Und so haben die Rumäninnen und Rumänen bei der Stichwahl am 18. Mai eine echte Wahl.

Judith Huber

Osteuropa-Korrespondentin

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Vor ihrer Tätigkeit als Osteuropa-Korrespondentin war Judith Huber als Sonderkorrespondentin für die Ukraine und als Auslandredaktorin tätig. Sie war zudem jahrelang Produzentin der Sendung «Echo der Zeit» von Radio SRF. Judith Huber befasst sich seit Jahren mit Osteuropa und Russland und mit anderen Ländern des postsowjetischen Raums. Sie spricht sowohl Russisch als auch Ukrainisch.

Rendez-vous, 5.5.2025, 12:30 Uhr;sibl;brus

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