Bataclan. Der Name der Pariser Konzertsaals ist heute ein Synonym für Angst und Schrecken, aber auch für ein Leben nach dem Terror. Am 13. November 2015 ereignete sich dort und an anderen Orten in Paris einer der schlimmsten Terroranschläge der jüngeren europäischen Geschichte. 130 Menschen wurden ermordert, fast 700 verletzt. Wenig später bekannte sich die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zur Tat.
Die Pariser Terrornacht hat sich tief ins kollektive Gedächtnis in Europa eingebrannt. Dazu sagt die Terrorismusforscherin Daniela Pisoiu: Der Schock sei damals auch deshalb so gross gewesen, weil die Anschläge so koordiniert abgelaufen seien. Zwar waren fast alle der Täter französische oder belgische Staatsangehörige; zugleich hätte der IS aber mehrere von ihnen als Auslandskämpfer in Syrien ausgebildet.
Könnte so ein Anschlag heute wieder passieren?
Die kurze Antwort lautet: nicht in Europa. Zumindest sieht das Daniela Pisoiu so. Für einen grossangelegten Anschlag wie damals in Paris fehlten den Terrororganisationen heute die Ressourcen. «Man stellt fest, dass diese Akteure nicht mehr in der Lage sind, solche Anschläge zu organisieren». Der IS zum Beispiel sei in Syrien oder im Irak grösstenteils besiegt.
Das heisst aber nicht unbedingt, dass heute weniger Gefahr vom Terrorismus ausgehe. Eher hätte sich die Art der Bedrohung geändert.
Radikalisierung im Internet
In Europa gebe es heute wenige bis keine organisierte Zellen von Attentätern, die gemeinsam einen Anschlag durchführen könnten. Zugleich wachse aber die Gefahr durch islamistische Einzeltäter, so Pisoiu.
Im Unterschied zu damals passiert Radikalisierung heute zu einem grossen Teil online.
«Mittlerweile ist sehr viel terroristischer Content online verfügbar, nicht nur auf Telegram, sondern auch auf Tiktok. Das ist ein grosser Unterschied zu damals, dass die Radikalisierung zu einem grossen Teil online passiert.» Viele potenzielle Terroristen agierten deshalb mehr oder weniger alleine. Zudem beobachte man auffällige junge Sympathisanten – und Sympathisantinnen. In der Szene tauchten immer mehr Frauen auf, auch aktiv als Attentäterinnen.
Herausforderungen für die Terrorbekämpfung
Die Radikalisierung passiert heute oft online. Für die Terrorbekämpfung sei das ein grosses Problem, so Daniela Pisoiu. «Es wird natürlich unglaublich viel online gepostet. Mit den normalen polizeilichen Mitteln ist es sehr schwierig, auf Leute zu kommen, die vielleicht kurz davor sind, einen Terroranschlag zu verüben.»
Handlungsmöglichkeiten sieht sie vor allem im Bereich der Prävention – also bevor potenzielle Täterinnen und Täter tatsächlich aktiv werden. Dabei müsste vor allem das soziale Umfeld sensibilisiert werden, in der Schule, aber auch in der Familie. Nur so könnten Bezugspersonen die Anzeichen richtig interpretieren – etwa, wenn sich jemand stark zurückzieht und durch Hass gegen bestimmte Personengruppen auffällt.
Europa nicht das Hauptziel
Das Risiko für gross orchestrierte Terroranschläge in Europa hält Daniela Pisoiu heute für deutlich niedriger als noch vor zehn Jahren. Ihr ist aber wichtig, hinzuzufügen: Europa sei für Terrororganisationen wie IS oder auch al-Quaida ohnehin nur ein Nebenschauplatz. Im Zentrum der dschihadistischen Welt stünden die Einflussgebiete im Nahen Osten und heute vor allem in Afrika.