«An einem Samstagmorgen erhielt ich ein E-Mail. Ich war noch in der Probezeit und man entschied, mich zu entlassen.» Innerhalb einer Stunde sei ihr Computerzugang gesperrt worden. «Ich musste meinen eigenen Chef anrufen und ihm sagen, dass ich die Kündigung erhalten hatte. Es war ziemlich dramatisch.»
Arielle Kanes Schicksal ist kein Einzelfall in den USA. Mindestens 120'000 Bundesangestellte verloren seit Trumps Amtsantritt ihren Job. Geht es nach Trump und Elon Musks neu geschaffener Bundesbehörde Doge, so sollen zehntausende Kündigungen folgen.
Ich finde es unfair, dass Staatsangestellte als ineffizient, überflüssig oder faul dargestellt werden.
Was Arielle Kane dabei Sorge macht, ist nicht primär ihre persönliche Situation. Dass man in den USA seinen Job kurzfristig verlieren kann, sei kein neues Phänomen. Auch wenn sie jetzt auf dem Jobmarkt gegen 4000 entlassene Kolleginnen und Kollegen beim Gesundheitsamt konkurrenzieren müsse: «Ich fühle mich dabei nicht besonders bemitleidenswert.
Es geht mir um etwas Grösseres. Ich finde es unfair, dass Staatsangestellte als ineffizient, überflüssig oder faul dargestellt werden.»
Über Sinn und Unsinn der Massenentlassungen
Der öffentliche Dienst würde Aufgaben übernehmen, die der Privatsektor nicht lösen könne – wie die Bekämpfung der hohen Müttersterblichkeit in den USA. «Ohne staatliches Engagement ändert sich an dieser beschämenden Situation nichts.»
Massenentlassungen bei US-Behörden: Nötig oder völliger Unsinn? Der ehemalige Schweizer Botschafter Thomas Borer führt die riesige Staatsverschuldung der USA und ihren aufgeblähten Staatsapparat ins Feld. Über 2.1 Millionen Bundesangestellte gibt es in den USA. «Wenn man einsparen will, muss man das wahrscheinlich teilweise mit dem Zweihänder angehen», so Borer.
Effizienter durch Entlassungen?
Eine Entlassung sei natürlich ein persönliches Trauma. Aber manchmal auch notwendig. Er selbst habe während der Wirtschaftskrise der 90er-Jahre zehn Prozent des Personals beim Schweizer Aussendepartement abbauen müssen. «Das ist etwas unglaublich Schlimmes. Aber es war möglich und wir wurden dadurch effizienter», so Borer.
Ein Staat kann nicht funktionieren, wenn die Regierung einfach macht, unabhängig davon, was das Recht verlangt.
Die Idee, dass die Behörden ineffizient und verschwenderisch sind, findet gemäss Umfragen auch weiterhin Anklang bei einer Mehrheit der US-Bevölkerung. Aber es gibt auch Bedenken über die Art, wie der Stellenabbau nun vollzogen wird.
Auch Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Basel, ist besorgt. Gewisse Kündigungen seien nicht mit geltendem Recht zu vereinbaren. «Ein Staat kann nicht funktionieren, wenn die Regierung einfach macht, unabhängig davon, was das Recht verlangt und dann sagt: Die Gerichte sollen später sagen, wie es richtig gewesen wäre. So unterminiert man einen Staat.»
Kündigungen werden angefochten, der Schaden ist aber schon angerichtet
Zahlreiche Kündigungen in den USA werden vor Gericht angefochten, viele Urteile sind noch ausstehend. Arielle Kane befürchtet, dass der Schaden bis dahin angerichtet ist: «Mein eigenes Projekt zur Müttergesundheit läuft theoretisch weiter, aber unser Team wurde halbiert – auch die Abteilung, die wichtige Daten zur Müttersterblichkeit sammelt. Ich befürchte, dass der Effekt und die Reichweite massiv darunter leiden werden.»