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25 Jahre nach Fährunglück Gericht lehnt Entschädigung im Fall «Estonia» ab

  • Ein Gericht in Frankreich hat knapp 25 Jahre nach dem Untergang der Fähre «Estonia» in der Ostsee Entschädigungsansprüche zurückgewiesen.
  • Über 1100 Überlebende und Opferangehörige forderten rund 40 Millionen Euro von der Schiffsbauerin, der deutschen Meyer-Werft, und dem französischen Bureau Veritas, welches das Schiff für seetüchtig befand.
  • Die Kläger hätten kein grobes oder vorsätzliches Fehlverhalten der Prüfungsstelle Bureau Veritas und der Meyer-Werft nachweisen können, begründete das Gericht in der Stadt Nanterre seine Entscheidung.

Der Bescheid des Obergerichts in Nanterre ist kurz und bündig. Die Kläger hätten nicht bewiesen, dass die Werft oder das Kontrollbüro vorsätzlich oder grobfahrlässig gehandelt haben. Es wies die Schadenersatzklage darum ab.

Ein Vorsatz ist in so einem Fall stets schwierig nachzuweisen. Doch im Fall der «Estonia» ist es nicht die einzige Unklarheit. Weitgehend dokumentiert sind die Ereignisse der Unglücksnacht. Der Ablauf des Untergangs konnte mittels Aussagen überlebender Passagiere einigermassen rekonstruiert werden.

Schwerstes Unglück seit «Titanic»

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Der Untergang der «Estonia» ist das grösste Schiffsunglück der europäischen Nachkriegsgeschichte. Damals kamen 852 Menschen ums Leben. Die Ostseefähre mit 989 Menschen an Bord war in der Nacht zum 28. September 1994 bei der Überfahrt von Tallinn nach Stockholm vor der Südküste Finnlands gesunken. Die Schuldfrage in diesem Fall ist nie endgültig geklärt worden.

Die Fähre war von Estlands Hauptstadt Tallinn nach Stockholm unterwegs. Etwa auf halben Weg sandte das Schiff kurz nach 01.20 Uhr erste Notsignale aus. Das Schiff, 60 Meter hoch und 155 Meter lang, neigte sich zur Seite.

Es bestehen weiterhin Fragezeichen

Eine knappe halbe Stunde später verschwand die «Estonia» in stürmischer See von den Radarschirmen, die den Schiffsverkehr kontrollierten. Grosse Fragezeichen bestehen weiterhin zu den Ursachen der Katastrophe.

Denn das Wrack liegt in 60 Metern Tiefe, mit den sterblichen Überresten von rund 650 Passagieren an Bord. Es wurde nie gründlich untersucht. Nach einem internationalen Abkommen zwischen den Anrainerstaaten der Ostsee besteht um die «Estonia» eine Bannmeile mit Tauchverbot. Dies begünstigte unterschiedliche Theorien über die Hintergründe des Untergangs.

Laut einem Bericht war es ein Unfall

Die schwedische Regierung ging rasch von einem Unfall aus. Die mobile Bugklappe der Fähre habe dem Druck der Wellen nicht widerstanden. Ein internationaler Untersuchungsbericht aus dem Jahr 1997 bestätigte die These und ging von einem Konstruktionsfehler aus. Bewiesen wurde dies nicht.

Vier Jahre nach dem Untergang kam eine Expertengruppe im Auftrag der Schiffswerft, die die «Estonia» Anfang der 1980er-Jahre baute, zum Schluss, die Bugklappe sei durch zwei Detonationen unterhalb der Wasserlinie vom Rumpf weggesprengt worden. Diese Version passte zum Gerücht, dass kurz vor dem Auslaufen an Bord der «Estonia» nach Bomben gesucht worden sei.

Dem Gericht ging es um den Vorsatz

Die Suche verlief ergebnislos. Gegen die Bombentheorie spricht eine Expertise der deutschen Bundesanstalt für Materialforschung. Danach sind die verdächtigen Spuren die Folgen einer normalen Rostschutzbehandlung.

Der Konstruktionsfehler als Ursache für das Unglück war die Basis für die Schadenersatzforderung in Nanterre. Doch dazu, ob er dies war, musste das Gericht gar nicht Stellung nehmen – aus Mangel an Beweisen für den Vorsatz.

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