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33 Milliarden zusätzlich Spaniens Steuereinnahmen sprudeln – das steckt dahinter

Vor gut 10 Jahren galt Spanien als Sorgenkind in Europa. Hoch verschuldet, hohe Jugendarbeitslosigkeit, im Zuge der Euroschuldenkrise drohte gar der Staatsbankrott. Nun aber gibt es positive Nachrichten: Die Wirtschaft wächst wieder und die Inflation hat sich in Spanien überraschend stark abgeschwächt. Und dazu kommt, dass Spanien momentan so hohe Steuereinnahmen hat wie noch nie. Journalistin Julia Macher lebt in Barcelona und erklärt, dass das aussergewöhnliche Wachstum an Steuereinnahmen nicht zuletzt mit Corona zusammenhängt.

Julia Macher

Journalistin in Barcelona

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Julia Macher berichtet aus Spanien für verschiedene Radio- und TV-Sender, hauptsächlich über Gesellschaft und Kultur.

SRF News: Inwiefern hängen die hohen Steuereinnahmen mit der Corona-Pandemie zusammen?

Julia Macher: Während der Coronakrise, welche Spanien härter getroffen hat als andere Länder, hat die Regierung schnell ein Programm aufgelegt. Dieses hat Arbeitsplätze gerettet und damit als Nebeneffekt ein historisches Problem Spaniens gelöst: das Problem der Schattenwirtschaft. Schattenwirtschaft war in Spanien lange Zeit gang und gäbe; vor allem im Bau, im Tourismus oder der Landwirtschaft hat man seinen Lohn nachmittags auf die Hand bekommen. Das Ganze lief am Fiskus und an den Sozialsystemen vorbei. Und da Spanien während der Pandemie dieses Kurzarbeit-Programm aufgelegt hat, um die Arbeitsplätze zu retten, hat es einen pädagogischen Effekt mit sich gebracht, dass viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer umgedacht haben. Sie haben gemerkt, dass es nicht schlecht ist, einen ordentlichen Vertrag vorzuweisen.

In Zeiten der Energiekrise profitiert Spanien von der Abhängigkeit vom Tourismus, denn in diesem Bereich schlagen die hohen Energiepreise nicht so stark ins Gewicht wie in anderen Branchen.

Viele also, die schwarzgearbeitet und schwarz Leute eingestellt haben, sind während der Pandemie an die Legalität getreten, um von staatlichen Hilfen profitieren zu können. Wie viele sind das?

Genaue Zahlen sind schwierig. Ein weiterer Grund für die steigenden Steuereinnahmen ist die Arbeitsmarktreform der Regierung gewesen, die dazu geführt hat, dass viele Kurzzeitverträge in unbefristete Verträge umgewandelt wurden, was wiederum für mehr Sicherheit gesorgt hat und dem Konsum zugutekam. Insgesamt ist das Volumen der Arbeitsverträge beträchtlich gestiegen.

Hat es die spanische Regierung den Leuten besonders leicht gemacht, legal zu werden? Gibt es eine Art Steueramnestie?

Nein, eine Steueramnestie gibt es nicht. Ich denke aber auch, dass für diese relativ guten Zahlen auch ein anderer Grund eine Bedeutung hat: Das vergangene Wirtschaftsjahr verlief in Spanien gut, der Tourismus boomt. Der Tourismus war der Grund, weshalb Spanien unter der Corona-Pandemie derart gelitten hat. Nun aber, in Zeiten der Energiekrise, profitiert Spanien von der Abhängigkeit vom Tourismus, denn in diesem Bereich schlagen die hohen Energiepreise nicht so stark ins Gewicht wie in anderen Branchen. Dadurch sind auch die Gesamteinnahmen gestiegen.

Im Juli lag die Inflation noch bei fast 11 Prozent, zurzeit liegt sie bei 5.8 Prozent.

Frühere Konjunkturdaten sprachen von einer stagnierenden Wirtschaft in Spanien. Hat sich das nun geändert?

Ja, das Wachstum in 2022 liegt bei etwa 4.5 Prozent. Ein Grund dafür ist die gesunkene Inflation. Im Juli lag die Inflation noch bei fast 11 Prozent, zurzeit liegt sie bei 5.8 Prozent.

Wohin fliessen diese 33 Milliarden Steuer-Mehreinnahmen?

Sie sollen weitere Inflationsbegrenzungsmassnahmen ermöglichen und auch das Defizit ein wenig senken. Die Haushaltsverschuldung in Spanien ist weiterhin hoch und liegt bei 116 Prozent.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 8.1.2023, 18:00 Uhr ; 

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