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50 Jahre Hip-Hop Hip-Hop-Pionierin: «Plötzlich gab es etwas anderes als die Gangs»

Hip-Hop entstand in der Bronx in den 70er-Jahren. Der Stadtteil von New York war damals auf dem Tiefpunkt des Zerfalls, als zwei Teenager die Geburtsstunde des Hip-Hops markierten. Sie standen am Anfang einer Kultur, die den Menschen in unterprivilegierten Quartieren eine Stimme gab. SRF hat mit den beiden Teenagern von damals – DJ Kool Herc und Cindy Campbell – 50 Jahre später gesprochen.

DJ Kool Herc und Cindy Campbell

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Ein Mann und eine Frau sitzen in zwei Stühlen nebeneinander
Legende: SRF

Das Geschwisterpaar war mit seiner Familie von Jamaika in den New Yorker Stadtteil Bronx eingewandert. In den 1970er-Jahren ebnete es mit den ersten Partys den Weg für den Aufstieg von Hip-Hop zu einem der beliebtesten Musikgenres weltweit.

SRF News: Wie muss man sich die Bronx damals vorstellen?

DJ Kool Herc: Wir lebten im Osten der Bronx. Leute brannten Häuser nieder, um das Versicherungsgeld einzukassieren.

Cindy Campbell: Gangs regierten. Es war nicht der beste Moment. Aber wir machten das Beste daraus.

Sie organisierten eine Party – warum eigentlich?

Cindy Campbell: Ich wollte Geld verdienen für neue Kleider, wenn die Schule wieder beginnt. Ich wollte shoppen gehen. Natürlich brauchten wir Musik. Mein Bruder, Kool Herc, hatte zwei Plattenspieler, mit denen er experimentierte. Also sagte ich: Er wird der DJ.

Ihre Technik am Plattenspieler wurde berühmt und gilt als Beginn der Breakbeats und des Hip-Hops. Wie reagierten die Jugendlichen auf der Tanzfläche?

Kool Herc: Ich habe gemerkt, wie die Leute jeweils auf bestimmte Passagen der Musik warteten. Ich hab mir gedacht: «Weisst du was, ich spiele einfach immer wieder die besten Passagen.» Ich hatte ja jede Platte zweimal. Das gefiel den Leuten! Ich nannte diese Technik «Karussell». Die Tänzerinnen und Tänzer hatten das noch nie gehört, und sie wollten mehr davon.

Die Leute warteten jeweils auf bestimmte Passagen. Ich hab mir gedacht: Weisst du was, spiel einfach immer wieder die besten Passagen. Ich hatte ja jede Platte zweimal.
Autor: DJ Kool Herc

Die Bronx war damals dominiert von Gangs, was hiess das für Sie?

Cindy Campell: Als Teenager ist man auf der Suche. Oft schloss man sich damals einer Gang an. Aber unsere Eltern waren sehr streng, daran war also nicht zu denken. Als Herc mit der Musik begann und wir Partys veranstalteten, konnte man plötzlich etwas anderes sein: MC (Master of Ceremony), DJ, B-Boy oder Graffiti-Künstler. Die Jugendlichen sahen, dass man anderes tun konnte, als in eine Gang zu gehen und einen Haufen Probleme zu kriegen.

DJ Kool Herc: Ich sagte jeweils: «Keine Kämpfe hier. Geht raus, hier fangt ihr nichts an. Wir wollen das hier nicht.»

Zwei junge Männer auf der Strasse; einer tanzt
Legende: Breakdancer in New York (1981) IMAGO/Ted Polhemus/PYMCA/UIG

Von der Bronx eroberte die neue Teenagerkultur die USA und die Welt. Doch es gibt auch Kritik am Frauenbild im Hip-Hop und an der Gewalt. Wie sehen Sie das?

DJ Kool Herc: Es gab die Morde ( die Rapper 2Pac und Notorious B.I.G. wurden in einer Rapperfehde getötet , Anm. der Red.). Das gefällt mir gar nicht. Die Gewalt war mir fremd. Sie sollten noch hier sein, 2Pac und Notorious B.I.G.

Cindy Campbell: Die Frauen – besonders die schwarzen Frauen – sollen Hip-Hop auf eine gewisse Weise darstellen. Die sind oft halbnackt auf der Bühne. Es ist wie softe Pornografie. Ich weiss nicht, wieso man diesen Weg gehen muss als schwarze Künstlerin; dass man quasi zuerst eine Stripperin sein muss. Wer hat das entschieden? Für mich ist das keine gute Sache. Es gibt viele positive Dinge, die schwarze Frauen tun.

Strasse mit Wohnblock und Strassenschild: Sedwick Av, Hip Hop Blvd
Legende: 1520 Sedgwick Avenue in der Bronx: Hier stieg die erste Hip-Hop-Party, im Mehrzweckraum eines unscheinbaren Wohnblocks. SRF

Heute geben die Stars des Hip-Hops Megakonzerte. Aber wie war das damals an der ersten Party?

Cindy Campbell: Meine Mutter stand in der Küche und machte Hotdogs. Wir wollen Strobo-Licht, konnten uns das aber nicht leisten. Also machte das einer von Hercs Kumpels, Mike. Herc sagte ins Mikrofon ...

DJ Kool Herc: ... «Mike mit dem Licht!»

Cindy Campbell: Mike wartete beim Lichtschalter und schaltete schnell ein und aus, sodass es den Strobo-Effekt gab und die Tanzbewegungen cool aussahen. Wir verlangten 25 Cent für die Mädchen und 50 für die Jungs. Und jetzt ist Hip-Hop ein Milliardengeschäft. Es war zur richtigen Zeit und war dazu bestimmt.

Das Gespräch führte Viviane Manz.

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Tagesschau, 10.8.23, 19:30 Uhr ; 

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