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66,4 Prozent sagen Ja Abtreibungsverbot in Irland mit Zwei-Drittel-Mehrheit aufgehoben

  • In Irland wird der achte Verfassungszusatz gestrichen, der Abtreibungen strikt verbietet. Erste Resultate bestätigen die Wählerbefragungen.
  • 66,4 Prozent der Iren stimmten Ja zur Aufhebung des Verbots.
  • Die Stimmbeteiligung liegt bei 64 Prozent.

In Irland haben die Stimmberechtigen mit klarer Mehrheit Ja zur Aufhebung des strikten Abtreibungsverbots gesagt. Das amtliche Endergebnis liegt vor, nachdem alle 40 Wahlkreise ausgezählt wurden.

Die Klarheit des erwarteten Resultats kommt überraschend.
Autor: Martin Alioth SRF-Korrespondent in Dublin

Solch deutliche Verhältnisse sind nicht zu erwarten gewesen. «Die Klarheit des erwarteten Resultats bei einer respektablen Stimmbeteiligung von vermutlich über 60 Prozent kommt überraschend», sagt Martin Alioth, SRF-Korrespondent in Dublin.

Premierminister begrüsst Resultat

Auch Zehntausende im Ausland lebender Iren waren für ihre Stimmabgabe nach Irland gereist. Insgesamt waren fast 3,5 Millionen Bürger aufgerufen, an die Urne zu gehen.

Was wir heute sehen, ist der Höhepunkt einer stillen Revolution.
Autor: Leo Varadkar Irischer Regierungschef

Irlands Premierminister Leo Varadkar begrüsst das sich abzeichnende Ja. «Was wir heute sehen, ist der Höhepunkt einer stillen Revolution, die in Irland in den vergangenen 10 bis 20 Jahren stattgefunden hat», sagte Varadkar dem irischen TV-Sender RTÉ. «Die Menschen haben gesagt, dass wir eine moderne Verfassung für ein modernes Land wollen.» Die Abstimmung zeige, dass die Menschen in Irland Frauen respektierten.

Sehr hartes Abtreibungsrecht

Per Verfassungszusatz von 1983 waren ungeborene Kinder in Irland bisher genauso in ihrem Recht auf Leben geschützt wie ihre Mütter. Das machte Kritikern zufolge Abtreibungen in dem Land faktisch unmöglich. Damals stimmten 66,9 Prozent der Iren für den restriktiven Verfassungszusatz.

Eine Klosterfrau gibt ihre Stimme ab
Legende: Die irischen Stimmbürger haben der katholischen Kirche getrotzt. Reuters

Der UNO-Menschenrechtsausschuss hatte das Abtreibungsverbot in Irland 2016 als Verstoss gegen internationale Menschenrechtsvereinbarungen kritisiert und die Regierung in Irland aufgefordert, es zu überarbeiten.

Nach dem Sieg des Ja-Lagers soll zunächst der achte Zusatzartikel aus der Verfassung gestrichen werden. Die Regierung müsste anschliessend alles weitere gesetzlich regeln.

Abtreibungsregeln in europäischen Ländern

Die Abtreibungsbestimmungen in Europa sind von Land zu Land verschieden. In vielen Ländern gelten Fristenregelungen. Sehr restriktiv ist das Recht nicht nur in Irland, sondern unter anderem auch in Polen. (Quelle: dpa)
Schweiz: Seit 1. Oktober 2002 gilt in der Schweiz die vom Volk am 2. Juni angenommene Fristenregelung. Das bedeutet, dass der Entscheid über den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft in den ersten 12 Wochen bei der Frau liegt. Ab der 13. Woche ist ein Abbruch zulässig, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, um von der Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abzuwenden. Es ist kein Zweitgutachten notwendig.
Deutschland: Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland unter bestimmten Bedingungen nicht strafbar. Eine Frau kann innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen - in Ausnahmefällen auch bis zur 22. Woche - abtreiben lassen, wenn sie sich beraten lassen hat und dem Arzt einen Beratungsschein vorlegt. Die Abtreibung bleibt in dieser Zeit auch straflos, wenn die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt beruht. Nicht rechtswidrig hingegen ist eine Abtreibung während der gesamten Schwangerschaft, wenn der Frau eine schwerwiegende körperliche oder seelische Beeinträchtigung droht.
Niederlande: Sie zählen zu den liberalsten westeuropäischen Ländern mit einer Fristenregelung von 24 Wochen. Nach einem Gespräch mit einem Arzt muss die Frau lediglich noch eine fünftägige Bedenkzeit abwarten, ehe sie in einer Klinik behandelt wird.
Polen: Das Land hat eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. In dem katholisch geprägten Land sind Schwangerschaftsabbrüche nur in drei Ausnahmefällen erlaubt: Wenn die Frau vergewaltigt wurde, wenn ihr Leben in Gefahr ist - und bislang auch, wenndas Kind eine schwere Behinderung haben wird. Konservative Pro-Life-Aktivisten setzen sich dafür ein, den letzten Punkt zu verbieten. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf brachten sie ins Warschauer Parlament. Viele Ärzte würden allerdings den Eingriff verweigern, weil sie Angst vor Ermittlungen oder Abtreibungsgegnern hätten, kritisieren Frauenrechtlerinnen. Deshalb reisten viele Frauen zum Abtreiben etwa in die Nachbarländer Deutschland und Tschechien.
Grossbritannien: Für England, Wales und Schottland gilt eine Frist von 24 Wochen. Wenn zwei Ärzte der Frau bescheinigen, dass die Schwangerschaft ihr körperlich oder seelisch schaden könnte, ist ein Eingriff legal. In Nordirland darf nur bei Lebensgefahr für die Mutter abgetrieben werden und wenn sie selbstmordgefährdet ist.
Frankreich: Das Land räumt Frauen eine Frist bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche ein. Sie können eine Abtreibung vornehmen lassen, wenn sie die Schwangerschaft nicht fortsetzen wollen. Die Beschränkung auf Frauen «in einer Notlage» wurde 2014 gestrichen - die Entscheidung darüber lag auch vorher schon allein bei der Schwangeren. Vor einem Eingriff müssen sich Betroffene an zwei Terminen von einem Arzt oder einer Hebamme beraten lassen.
Spanien: In dem katholischen Land sind Abtreibungen bis zur 14. Schwangerschaftswoche zugelassen, bis zur 22. Woche können sie aus medizinischen Gründen legal sein. Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy zog 2014 Pläne zurück, Abtreibungen wieder grundsätzlich für illegal zu erklären. Allerdings wurde die Regelung durchgesetzt, wonach Minderjährige eine Einverständniserklärung der Eltern oder des Vormunds vorlegen müssen, bevor eine Abtreibung durchgeführt werden darf.

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