Zum Inhalt springen

72-Stunden-Woche in China Junge Chinesen erwarten vom Leben mehr als Schuften

Staatliche Medien kritisieren die Haltung der Tech-Bosse. Proteste unzufriedener Chinesen sollen so verhindert werden.

Seit einigen Wochen beschweren sich zahlreiche Chinesen in den sozialen Medien unter dem Hashtag #996 über die langen Arbeitszeiten von bis zu 70 Stunden pro Woche. Inzwischen berichten selbst staatliche Medien über das Thema. Kritik müssen vor allem die grossen Tech-Konzerne wie der Onlinehändler Alibaba oder der Mobiltelefonhersteller Huawei einstecken. Teilweise arbeiten die Angestellten dort von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, und das sechs Tage in der Woche – #996 eben. Dabei gilt in China offiziell die 40-Stunden-Woche.

«Kein Schlaf, kein Sex, kein Leben»

So titelte die in Hongkong erscheinende Zeitung «South China Morningpost» einen Artikel zum Thema. Wer #996 arbeite, habe schlicht kein Privatleben, hiess es dort. «In den Tech-Unternehmen wird eine 70-Stunden-Woche von den Angestellten erwartet», sagt der in Hongkong lebende freie Journalist Felix Lee. Hintergrund sei die Tatsache, dass die Gründer und Chefs der Tech-Konzerne in jungen Jahren selber auch so viel gearbeitet hätten und das nun auch von ihren Angestellten erwarten.

Arbeit soll auch Vergnügen sein

Für die meisten von den exorbitanten Arbeitszeiten Betroffenen gebe es keinen Extralohn für die Überstunden, weiss Lee. Die Tech-Unternehmer verteidigten ihre Haltung damit, dass sie den Angestellten schliesslich auch luxuriöse Arbeitsbedingungen böten. So gibt es in vielen dieser Firmenbüros etwa Tischtennistische, Fitnessräume oder Lounge-artige Sitzecken, welche die Angestellten benutzen können. «Aus Sicht der Tech-Bosse gibt es keine Trennung zwischen Arbeit und Freizeit», so der Journalist.

Jack Ma inmittten anderer Männer, er lacht.
Legende: Alibaba-Gründer Jack Ma (Mitte) findet, Angestellte müssten bereit sein, bis zu 72 Stunden pro Woche zu arbeiten. Jetzt krebst er etwas zurück. Imago

In China haben lange Arbeitszeiten Tradition. Berüchtigt sind etwa die Textilfabriken oder der Bergbau, wo zu den langen Arbeitszeiten noch schlechte Arbeitsbedingungen hinzukommen. Doch jetzt beschweren sich die jungen Chinesen über #996 in den sozialen Medien – ein Grund für die staatlich gelenkten Medien, das Thema aufzugreifen. «Die kommunistische Führung ist ständig besorgt über die Stabilität im Land», sagt Lee in Hongkong. Dass sie jetzt über die staatlichen Medien in die Diskussion eingreife, zeige, dass sie die Proteste sehr ernst nehme.

Bosse fügen sich

Alibaba-Chef Jack Ma nannte die 72- Stunden-Woche zunächst einen «grossen Segen», Fleiss gehe über alles. Wer in seinem Unternehmen arbeiten wolle, müsse bereit sein, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten. Doch nach der Kritik an seiner Aussage in den staatlichen Medien ist Ma, der selber Mitglied der Kommunistischen Partei ist, ein Stück weit zurückgerudert. So bekräftigte er, dass die Arbeitsbedingungen sowie die Entlöhnung für die Angestellten stimmen müssten. «Die Tech-Unternehmer werden künftig wohl etwas vorsichtiger sein und nicht mehr ganz so lange Arbeitszeiten von ihren Angestellten fordern», ist Lee deshalb überzeugt.

Meistgelesene Artikel