Ein dicht besiedeltes Armenviertel im Süden Delhis. Ayesha kommt gerade vom Arzt zurück. Auf dem Arm trägt sie ihre zweieinhalbjährige Tochter.
«Seit wir vor einem Jahr vom Dorf hergezogen sind, sind meine Kinder dauernd krank», sagt die dreifache Mutter, die ihren wirklichen Namen nicht nennen will. Husten und Fieber seien ständige Begleiter. Viele andere Kinder in der Nachbarschaft litten unter Atemproblemen und brennenden Augen
Viele Kinder in der Nachbarschaft sind krank
Ayesha ist überzeugt, dass die Erkrankungen mit der Abfall-Verbrennungsanlage Timarpur-Okhla zu tun haben, neben der sie mit ihrer Familie lebt.
Als die Anlage vor 13 Jahren in Betrieb genommen wurde, pries die Regierung sie als grünes Vorzeige-Projekt: umweltschonende Abfallbeseitigung inklusive grüner Stromproduktion. Die UNO zertifizierte die Anlage als klimafreundlich: Die Betreiber dürfen CO₂-Zertifikate auf dem internationalen Markt verkaufen.
In den Ohren von Anwohnern wie Ranjit Devraj klang das grüne Versprechen von Anfang an zu schön, um wahr zu sein.
«Wir haben die Anlage schon bekämpft, bevor sie gebaut wurde», sagt der grauhaarige Umweltjournalist. Er wohnt im gepflegten Mittelklasse-Quartier Sukhdev Vihar. Von seiner Terrasse kann er direkt auf die Anlage sehen. Sie steht nur ein paar Meter entfernt.
Die Dioxine in der Luft gehören zu den giftigsten Chemikalien überhaupt.
Eine Langzeit-Untersuchung der «New York Times» hat die Befürchtung bestätigt, dass die Verbrennung alles andere als grün ist: Bodenproben rund um die Anlage enthielten Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Arsen. In Luftproben wurden hochgiftige Dioxine in einer Konzentration gefunden, die zehnmal höher liegt als die zulässigen Grenzwerte.
«Die Dioxine in der Luft gehören zu den giftigsten Chemikalien überhaupt», sagt Umweltjournalist Devraj. Sie zerstörten die Hormone und verursachten Krebs.
Asche enthält hochgiftige Stoffe
Ein grosser Anteil schwer brennbarer Bio-Abfall werde zusammen mit Plastik, Batterien und Metallen in den Ofen geschoben. Rund 2000 Tonnen pro Tag. Oft werde noch Diesel dazu geschüttet, damit es besser brenne. «Am Ende kommt wenig Strom, aber sehr viel Asche raus.»
Diese Asche enthalte hochgiftige Stoffe, sagt Devraj. Auf offenen Lastwagen werde sie kilometerweit durch die Stadt transportiert, zur Deponie. Vorbei an Kindergärten, Schulen und Spitälern.
Ärztin: Lymphdrüsen- und Brustkrebs seien häufig
In einem der Spitäler hat die Radiologin Sonia Softa gearbeitet. Seit die Anlage in Betrieb genommen wurde, habe sie eine deutliche Zunahme von Krebserkrankungen im Quartier beobachtet, erzählt sie am Telefon.
Vor allem Lymphdrüsen- und Brustkrebs seien sehr häufig. Andere Ärzte berichteten von einer deutlichen Zunahme von Asthma und Fehlgeburten bei Kindern. Schwangeren werde geraten, das Quartier zu verlassen.
Auch Softa hat lange gegen die Anlage protestiert. Eine Klage liegt inzwischen beim Obersten Gerichtshof. «Das Urteil wird seit Jahren immer wieder vertagt», sagt sie.
Mittlerweile hat sie den Kampf gegen die Anlage aufgegeben. Vor eineinhalb Jahren zog die Ärztin nach Bangalore, in den Süden. «Ich habe es nicht mehr ausgehalten», sagt Softa. Kurz nach dem Umzug wurde auch bei ihr Krebs diagnostiziert.