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Abfallverbrennung in Delhi Eine Verbrennungsanlage verteilt giftige Schwermetalle

Im Süden Delhis macht eine Abfall-Verbrennungsanlage die Anwohner wütend. Die riesigen Abfallberge Delhis sollten darin zu grünem Strom verwandelt werden. Doch in Luft und Boden wurden hohe Mengen krebserregender Stoffe gefunden. Trotzdem soll die Anlage erweitert werden.

Ein dicht besiedeltes Armenviertel im Süden Delhis. Ayesha kommt gerade vom Arzt zurück. Auf dem Arm trägt sie ihre zweieinhalbjährige Tochter.

«Seit wir vor einem Jahr vom Dorf hergezogen sind, sind meine Kinder dauernd krank», sagt die dreifache Mutter, die ihren wirklichen Namen nicht nennen will. Husten und Fieber seien ständige Begleiter. Viele andere Kinder in der Nachbarschaft litten unter Atemproblemen und brennenden Augen

Viele Kinder in der Nachbarschaft sind krank

Ayesha ist überzeugt, dass die Erkrankungen mit der Abfall-Verbrennungsanlage Timarpur-Okhla zu tun haben, neben der sie mit ihrer Familie lebt.

Frau mit blauem Schleier hält Kind auf dem Obstmarkt.
Legende: Die Kinder der dreifachen Mutter Ayesha, sowie auch die Nachbarskinder leiden unter Krankheiten. SRF/Maren Peters

Als die Anlage vor 13 Jahren in Betrieb genommen wurde, pries die Regierung sie als grünes Vorzeige-Projekt: umweltschonende Abfallbeseitigung inklusive grüner Stromproduktion. Die UNO zertifizierte die Anlage als klimafreundlich: Die Betreiber dürfen CO₂-Zertifikate auf dem internationalen Markt verkaufen.

So funktioniert die Zertifizierung der Anlage

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Die umstrittene Timarpur-Okhla «Abfall-zu-Energie»-Verbrennungsanlage in Delhi ist seit Januar 2012 in Betrieb. Sie ist beim Sekretariat der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) unter dem Clean Development Mechanism (CDM) registriert. Weil sie dazu beitragen soll, fossile Energie durch klimaneutrale Energie aus der Abfallverbrennung zu ersetzen, sind die Besitzer berechtigt, Emissionszertifikate auf dem globalen Markt zu verkaufen.

Seit 2015 wurde die Anlage jährlich überprüft, allerdings nicht direkt von der UNO, sondern von einer Drittfirma. In den öffentlich zugänglichen Berichten heisst es: «Die Technologie ist umweltfreundlich und sauber.»

Kritiker monieren, dass die genehmigte Technologie tatsächlich gar nicht eingesetzt werde. So werde der Abfall zum Beispiel nicht, wie vorgesehen, getrennt und vorbehandelt. Dadurch werde der Abfall unvollständig und nass verbrannt und generiere viel giftige Asche. In der Genehmigung sei zudem nicht erwähnt, dass die Anlage in einer dicht besiedelten Wohngegend steht.

In den Ohren von Anwohnern wie Ranjit Devraj klang das grüne Versprechen von Anfang an zu schön, um wahr zu sein.

Zwei Lastwagen auf einer staubigen Mülldeponie.
Legende: Die Anlage verbrennt bis zu 2000 Tonnen ungetrennten Abfall pro Tag. SRF/Maren Peters

«Wir haben die Anlage schon bekämpft, bevor sie gebaut wurde», sagt der grauhaarige Umweltjournalist. Er wohnt im gepflegten Mittelklasse-Quartier Sukhdev Vihar. Von seiner Terrasse kann er direkt auf die Anlage sehen. Sie steht nur ein paar Meter entfernt.

Die Dioxine in der Luft gehören zu den giftigsten Chemikalien überhaupt.
Autor: Ranjit Devraj Umweltjournalist

Eine Langzeit-Untersuchung der «New York Times» hat die Befürchtung bestätigt, dass die Verbrennung alles andere als grün ist: Bodenproben rund um die Anlage enthielten Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Arsen. In Luftproben wurden hochgiftige Dioxine in einer Konzentration gefunden, die zehnmal höher liegt als die zulässigen Grenzwerte.

Person auf rauchigem Berghang.
Legende: Das Abfallmanagement in Delhi ist schon länger ein grösseres Problem. Reuters/Anushree Fadnavis

«Die Dioxine in der Luft gehören zu den giftigsten Chemikalien überhaupt», sagt Umweltjournalist Devraj. Sie zerstörten die Hormone und verursachten Krebs.

Asche enthält hochgiftige Stoffe

Ein grosser Anteil schwer brennbarer Bio-Abfall werde zusammen mit Plastik, Batterien und Metallen in den Ofen geschoben. Rund 2000 Tonnen pro Tag. Oft werde noch Diesel dazu geschüttet, damit es besser brenne. «Am Ende kommt wenig Strom, aber sehr viel Asche raus.»

Älterer Mann im Freien mit unscharfem Hintergrund.
Legende: Der Umweltjournalist Ranjit Devraj lebt wenige Meter entfernt von der Verbrennungsanlage. SRF/Maren Peters

Diese Asche enthalte hochgiftige Stoffe, sagt Devraj. Auf offenen Lastwagen werde sie kilometerweit durch die Stadt transportiert, zur Deponie. Vorbei an Kindergärten, Schulen und Spitälern.

Ärztin: Lymphdrüsen- und Brustkrebs seien häufig

In einem der Spitäler hat die Radiologin Sonia Softa gearbeitet. Seit die Anlage in Betrieb genommen wurde, habe sie eine deutliche Zunahme von Krebserkrankungen im Quartier beobachtet, erzählt sie am Telefon.

Vor allem Lymphdrüsen- und Brustkrebs seien sehr häufig. Andere Ärzte berichteten von einer deutlichen Zunahme von Asthma und Fehlgeburten bei Kindern. Schwangeren werde geraten, das Quartier zu verlassen.

David gegen Goliath: Die Jindal Gruppe

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Die Betreiberin der Anlage ist die einflussreiche Jindal-Gruppe, eine der grössten Konglomerate Indiens. Auf ihrer Internetseite teilt das Unternehmen mit, die Abfall-Verbrennungsanlage entspreche vollständig den geltenden Gesetzen und habe alle Behördentests bestanden. Die Anlage soll bald erweitert werden. Die Stadtverwaltung hat bereits grünes Licht gegeben.

Auch Softa hat lange gegen die Anlage protestiert. Eine Klage liegt inzwischen beim Obersten Gerichtshof. «Das Urteil wird seit Jahren immer wieder vertagt», sagt sie.

Mittlerweile hat sie den Kampf gegen die Anlage aufgegeben. Vor eineinhalb Jahren zog die Ärztin nach Bangalore, in den Süden. «Ich habe es nicht mehr ausgehalten», sagt Softa. Kurz nach dem Umzug wurde auch bei ihr Krebs diagnostiziert.

Echo der Zeit, 9.11.2025, 18:00 Uhr

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