Die hohe See ist ein Wilder Westen. So sieht es die Meeresbiologin Sandra Schöttner: «Jeder bedient sich, so wie er es braucht.» Sie nimmt für die Umweltorganisation Greenpeace an den UNO-Verhandlungen zum Schutz der Ozeane teil.
Sibylle Vermont vom Bundesamt für Umwelt wiederum spricht von der letzten Grenze der Menschheit. «Viele sehen die Meere als letztes Eldorado – den letzten Teil der Erde, den man noch ungehindert ausplündern oder auch zumüllen kann.» Vermont verhandelt für die Schweiz in New York.
Die einen gehen davon aus, dass kein Land irgendwas zu sagen hat, die andern dagegen, dass die hohe See allen gehört und alle dort tun dürfen, was sie wollen. «Das Ergebnis ist erschütternd: Die Ozeane sind akut bedroht, wie immer mehr wissenschaftliche Daten beweisen», so Vermont.
Rasches Handeln ist angesagt
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres spricht von einer ganz besonderen Beziehung zwischen Mensch und Meer. Nur dank dem Meer könnten wir leben. Doch diese besondere Beziehung sei unter Druck wie nie zuvor.
Immerhin ist nun der Schutz der Ozeane auf der internationalen Agenda nach oben gerückt. Zumindest offiziell sind sich alle UNO-Mitgliedländer einig: Man muss rasch handeln. Es braucht – genauso wie für den Klimaschutz – ein rechtsverbindliches UNO-Abkommen.
Doch darüber, wie griffig, wie umfassend das Abkommen sein soll, gehen die Meinungen weit auseinander. «Einzelne Länder versuchen, den Status quo eher zu zementieren, als eine echte Lösung zu finden», sagt die Greenpeace-Vertreterin Schöttner.
Wenn die USA, China oder Russland am Tisch sitzen um dieses Abkommen zu verwässern, ist niemandem geholfen.
Sie meint nicht zuletzt die Grossmächte: «Wenn die USA, China oder Russland am Tisch sitzen um dieses Abkommen zu verwässern, ist niemandem geholfen.» Umstritten ist etwa die Grösse der Schutzzonen: Manche Regierungen möchten sie auf zehn Prozent der Meeresfläche begrenzen, Umweltorganisationen drängen auf mindestens dreissig Prozent.
Schweiz will beim Schutz mitreden
Für ehrgeizige Ziele tritt unter anderen die Schweiz ein. Obschon Binnenland, wolle sie das Tun und Lassen auf den Weltmeeren nicht einfach den Meeresanrainerstaaten überlassen, sagt Vermont.
«Die hohe See gehört allen Ländern, die Schweiz will bei deren Nutzung und Schutz mitreden», so die Schweizer Unterhändlerin. Ja, man müsse sogar mitreden: In der Verfassung ist festgehalten, dass die Schweiz zum Schutz der natürlichen Ressourcen weltweit beiträgt.
Das Ziel der Unterhändler ist ehrgeizig: Schon nächstes Jahr soll ein UNO-Ozeanabkommen unterzeichnet werden. «In zehn, zwanzig Jahren brauchen wir es wahrscheinlich nicht mehr zu versuchen. Die Ökosysteme im Meer sind jetzt schon schwer im Stress», so Schöttner.
Wir wollen keinen Papiertiger. Wir wollen einen Tiger mit Zähnen.
Vermont sieht zwar auch gute Fortschritte, hat aber Zweifel, ob 2020 alles unter Dach und Fach ist. Zumal manche Länder für ein solches Abkommen Einstimmigkeit fordern. Was hiesse: Es würde auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. Es kommt aber nicht nur aufs Tempo an, sondern ebenso auf die Substanz: «Wir wollen keinen Papiertiger. Wir wollen einen Tiger mit Zähnen», so Schöttner.
Die nächsten Verhandlungsrunden werden hart sein. Die Beteiligten sind zwar zuversichtlich, doch es bleiben hohe Hürden, bevor die Rettung der Ozeane tatsächlich realistisch wird.