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Absolute Mehrheit im Parlament Parlamentswahl in Serbien festigt Macht von Präsident Vucic

  • Die Partei von Präsident Aleksandar Vucic hat am Sonntag nach Angaben von Analysten die Parlamentswahlen in Serbien gewonnen.
  • Nach Auszählung von 94 Prozent der abgegebenen Stimmen sehen die Belgrader Institute Cesid und Ipsos die serbische Fortschrittspartei (SNS) mit 47 Prozent der Stimmen als klar stärkste Kraft.
  • Gegenüber der vorherigen Wahl vor 17 Monaten legt die SNS um zwei Prozentpunkte zu.

Bleibt es dabei, würde sie über eine absolute Mehrheit von 128 Mandaten in der Volksversammlung (250 Sitze) verfügen. Die liberale Opposition, die diesmal als Wahlbündnis «Serbien gegen Gewalt» gemeinsam angetreten ist, vereinigt demnach 24 Prozent der Stimmen auf sich und kann mit 65 Mandaten rechnen.

Einschätzung des SRF-Korrespondenten Peter Balzli

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SRF News: Warum hat sich Präsident Vucic wieder behaupten können?
Peter Balzli: Zum einen trifft Vucic mit seiner Politik den Nerv vieler Serbinnen und Serben, vor allem der Menschen auf dem Land, wo man den Staatsmedien grossen Glauben schenkt.

Zum anderen waren die Parlamentswahlen in Serbien nicht fair. Es wurden Wahllisten manipuliert, Oppositionskandidaten eingeschüchtert und ein beträchtlicher Teil der Propaganda der Regierungspartei während des Wahlkampfs wurde durch Steuergelder finanziert. Das alles ist sehr weit von dem entfernt, was wir gemeinhin als demokratische Wahlen bezeichnen würden.

Die Wahlbeobachter haben zahlreiche Verstösse gegen das Wahlreglement gemeldet. Wie schätzen sie das ein?

Ich glaube nicht, dass die Wahlbeobachter diese Vorwürfe erfunden haben. Ich habe diese Woche mit mehreren Personen gesprochen, die von den Wahllisten gestrichen wurden. Ohne dass sie darüber informiert worden sind, ohne dass sie dagegen Rekurs führen können. Dass es diese Verstösse gibt, ist sicher. Wie gross und zahlreich sie sind, kann ich aktuell nicht beurteilen.

Die serbische Ministerpräsidentin Ana Brnabic hat erklärt, die Meldungen über Verstösse gegen das Wahlreglement seien Lügen, alles sei frei erfunden. Sie sagt, die Wahlen seien ruhig und korrekt abgelaufen.

Das Ganze zeigt vor allem eines: die enorme Polarisierung der serbischen Gesellschaft. Entweder ist man Anhänger der Regierungspartei, dann muss alles stimmen, was diese sagt. Oder man ist Anhänger der Opposition, dann ist das Gegenteil der Fall. Diese Polarisierung ist keine gute Nachricht für die Zukunft der serbischen Demokratie.

Drittstärkste Kraft wird die Sozialistische Partei Serbiens (SPS) von Aussenminister Ivica Dacic mit 7 Prozent der Stimmen und 18 Mandaten. Sie regiert seit 2012 in einer Koalition mit der SNS.

Vucic ist seit Mai formell nicht mehr SNS-Vorsitzender, bestimmt aber weiterhin die Geschicke der Partei. Im Wahlkampf brachte er sich massiv ein. Die SNS stand als Liste mit dem Namen «Aleksandar Vucic – Serbien darf nicht stehenbleiben» auf den Wahlzetteln.

Aleksander Vucic ballt die Fäuste und lacht. Hinter ihm stehen applaudierende Menschen.
Legende: Präsident Aleksandar Vucics SNS gewinnt die Parlamentswahlen in Serbien. EPA/ANDREJ CUKIC

Opposition und Wahlforscher warfen der Präsidentenpartei rund 450 Verstösse gegen die Wahlordnung vor. Insbesondere in der Hauptstadt Belgrad, in der zeitgleich hart umkämpfte Kommunalwahlen stattfanden, habe die SNS mit Hilfe staatlicher Stellen massiv betrogen, behaupteten Oppositionspolitiker in der Wahlnacht.

«Nach unseren Schätzungen wurden in Belgrad 40'000 Personalausweise an Menschen ausgestellt, die nicht hier leben», sagte Oppositionsführer Miroslav Aleksic. Medien berichteten von Autobussen, die Menschen aus dem serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas zur Belgrader Arena brachten, wo sie an der Wahl teilgenommen haben sollen. 

Parlament nach zwei Jahren aufgelöst

Vucic hatte das Parlament nach nicht einmal zwei Jahren aufgelöst. Der Präsident, der seit 2012 in wechselnden Funktionen die Politik des Landes bestimmt, nutzt vorgezogene Wahlen immer wieder, um sich der Loyalität seiner Funktionäre und Anhänger zu versichern. Auslöser der vorgezogenen Wahl waren vor allem zwei Amokläufe im Mai mit 18 Toten sowie Konflikte in dem seit 2008 unabhängigen Kosovo.

Kritiker werfen Vucic einen autoritären Regierungsstil vor. Vucic missbraucht diesen Stimmen zufolge den Regierungsapparat, Polizei und Geheimdienste, um politische Konkurrenten wirtschaftlich zu ruinieren und in der Öffentlichkeit zu diffamieren. Zugleich seien die Machthabenden um Vucic mit der organisierten Kriminalität im Bunde, so Vorwürfe von Kritikerinnen und Kritikern. Tätliche Angriffe auf Oppositionelle würden häufig von Schlägertrupps aus diesem Milieu durchgeführt.

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Tagesschau, 17.12.2023, 22:55 Uhr ; 

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