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Abtreibung in den USA «Das Abtreibungsgesetz verletzt wichtige Grundrechte»

Das Abtreibungsgesetz von Texas macht weiter Schlagzeilen. Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) hat dagegen geklagt.

David Donatti ist 32 Jahre alt, Anwalt mit Harvard-Abschluss, spezialisiert auf Bürgerrechte. Er kämpft für die grosse Organisation «American Civil Liberties Union» gegen das Anti-Abtreibungsgesetz in Texas. Dieses sei komplett illegal, sagt der quirlige Anwalt. 

Das illegalste Gesetz, das mir je begegnet ist.
Autor: David Donatti Anwalt, American Civil Liberties Union

Es sei sogar das illegalste Gesetz, dem er je begegnet sei. Denn es breche gleich auf verschiedenen Arten geltendes Recht. Es verunmögliche nach Bundesrecht legale Abtreibungen in Texas. Das texanische Gesetz setzt eine Frist von rund sechs Wochen – bewusst knapp. Zu diesem Zeitpunkt entdecken viele Frauen erst, dass sie schwanger sind.

Eine Frau sitzt auf einem Stuhl bei einem Frauenarzt, sie trägt ein grünes Tuch
Legende: In den USA sind Abtreibungen seit 1973 per Bundesgesetz erlaubt – und zwar bis zur 24. Woche der Schwangerschaft Keystone

Aber das Gesetz verletzte auch wichtige Grundrechte, sagt David Donatti, wie das Recht auf einen fairen Prozess. Denn das Gesetz mache Anwälte strafbar, die etwa eine Abtreibungsorganisation vertreten würden.

Der Oberste Gerichtshof in Washington hatte Gelegenheit, das Gesetz zu stoppen, bevor es Anfang September in Kraft trat. Aber es wies stattdessen an die unteren Instanzen zurück.

Gefährliches System der Denunziation

Das höchste Richtergremium habe sich bisher hinter verfahrenstechnischen Argumenten versteckt. Die konservative Mehrheit hat beanstandet, es sei unklar, gegen wen sich die Klage richte. Damit funktionierte ein Trick der texanischen Gesetzgebenden, welche die Umsetzung an private Bürgerinnen und Bürger delegierten.

Abtreibungsgegner, wo sie auch immer leben, können Ärztinnen, Krankenpfleger, Taxifahrerinnen verklagen – jegliche Personen, die Frauen helfen, eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen. Für jede erfolgreiche Klage erhalten die Privatkläger 10'000 Dollar, zulasten der Angeklagten. Dieses Denunziationssystem habe es noch nie gegeben. Es sei für den Rechtsstaat gefährlich, so Donatti. 

Jedes Grundrecht könnte umgangen werden, auch Rechte, die den Konservativen lieb sind.
Autor: David Donatti Anwalt, American Civil Liberties Union

Ähnliche Gesetze könnten bald in anderen US-Bundestaaten zur Anwendung kommen, falls der Oberste Gerichthof nicht eingreife. Jedes Grundrecht könnte umgangen werden, auch Rechte, die den Konservativen lieb seien – wie das Recht, Waffen zu besitzen.

Die Bürgerrechtsorganisation hat den Obersten Gerichthof direkt angerufen, das Gesetz als verfassungswidrig zu erklären. Es handelt sich um eine Sammelklage gegen tausende Gesundheitsbeamte, Richterinnen und Gerichtsdienende, die potenziell bei der Umsetzung des Gesetzes involviert sind.

Es ist nur eine von diversen verfassungsrechtlichen Klagen. Unter anderem hat das US-Justizdepartement in Washington gegen den Staat Texas geklagt. Dutzende von Zivilklagen sind an texanischen Regionalgerichten gegen Antiabtreibungsorganisationen hängig.

Zielorientierte «Spaghettischlacht»

«Throwing spaghetti at the wall» nennt man diese Strategie. Man wirft eine Handvoll gekochte Spaghetti an die Wand – oder in diesem Fall einen Haufen Klagen – und schaut, welche kleben bleibt. Das sei eine gute Strategie, denn es handle sich um eine sehr zielgerichtete Spaghettischlacht, sagt David Donatti.

Seine Klage blieb tatsächlich kleben. Der Oberste Gerichtshof hört den Fall bereits kommende Woche an. Es ist das schnellste Eilverfahren seit zwanzig Jahren. Und die Zeit dränge, sagt David Donatti. Denn die unter Umständen lebenswichtige Gesundheitsversorgung von Frauen sei nicht etwas, was man hinauszögern könne.

Solange das Gesetz in Kraft sei, würden die texanischen Frauen existenziellen Schaden erleiden. Vor allem diejenigen, die es sich nicht leisten könnten, für einen Schwangerschaftsabbruch weit zu reisen.

Echo der Zeit, 25.10.2021, 18 Uhr

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