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Abwahl in Schweden «Es wird schwierig werden, eine Regierung zu bilden»

Zum ersten Mal hat Schwedens Parlament einen Regierungschef abgewählt. Sozialdemokrat Stefan Löfven hat die Vertrauensabstimmung verloren. Dies, nachdem es bei den Parlamentswahlen vor zwei Wochen einen Rechtsrutsch gab und die Schwedendemokraten 62 Sitze im Parlament erhielten. Für die Regierungsbildung bedeutet das nichts Gutes: Diese werde mit Löfvens Abwahl noch komplizierter, sagt Nordeuropa-Mitarbeiter Bruno Kaufmann.

Bruno Kaufmann

Nordeuropa-Korrespondent

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Bruno Kaufmann berichtet seit 1990 regelmässig für SRF über den Norden Europas, von Grönland bis Litauen. Zudem wirkt er als globaler Demokratie-Korrespondent beim internationalen Dienst der SRG mit.

SRF News: Wie reagiert man in Schweden auf dieses ungewohnte Ereignis, die allererste Abwahl eines Regierungschefs?

Bruno Kaufmann: Schweden hält den Atem an. Man ist sich so eine Situation wirklich nicht gewohnt. So eine Abstimmung hat bisher noch nie stattgefunden. Das hängt mit der neuen Verfassung, die 2011 in Kraft trat, zusammen. Diese verlangt eine solche Abstimmung nach einer Wahl, falls der Regierungschef nicht von sich aus zurücktritt. Das hat er nicht getan – und deshalb wurde Stefan Löfven abgewählt.

Wie kommt Schweden jetzt zu einer neuen Regierung?

Es gibt ein Verfahren, das ebenfalls von der Verfassung vorgeschrieben wird. Der neu gewählte Parlamentspräsident – es ist ein Konservativer, nicht mehr ein Sozialdemokrat – wird ab morgen Gespräche mit allen Parteichefs führen und dann einen Auftrag an jene erteilen, von denen er glaubt, dass sie eine Regierung bilden können.

Bisher trat in Schweden immer eine linke gegen eine bürgerliche Mehrheit an. Die Parteien müssen nun umdenken.

Neu für Schweden ist auch, dass mit den Schwedendemokraten eine rechtsnationale Partei im Parlament sitzt, mit der zwar niemand zusammenarbeiten will, die jetzt aber das Zünglein an der Waage spielen könnte. Kann Schweden überhaupt eine neue Regierung bilden ohne sie?

Ja, das ist denkbar, weil die Schwedendemokraten 62 von 349 Sitzen innehaben. Damit bestehen gute Mehrheitsverhältnisse jenseits dieser Partei. Bisher trat in Schweden immer eine linke gegen eine bürgerliche Mehrheit an. Und deshalb müssen die Parteien nun umdenken, falls sie eine Regierung bilden wollen. Das ist mit der jetzigen Ausgangslage ziemlich schwierig.

Wäre eine erneute Minderheitsregierung eine Option?

Ja. Das hängt damit zusammen, dass man in der schwedischen Politik auch eine Regierung bilden kann, ohne dass man die Mehrheit im Parlament für sich haben muss. Es reicht einfach, wenn nicht eine Mehrheit dagegen ist. Nun haben die Schwedendemokraten aber doch sehr viele Sitze gewonnen. Das heisst, es wird für beide Seiten schwierig. Es ist zudem so, dass die verschiedenen Blöcke – das rot-grüne und das bürgerliche Lager – praktisch gleichauf sind.

Die Rot-Grünen haben einen Sitz mehr. Deshalb wird es sehr schwierig werden, eine Regierung zu bilden, da beide Seiten sagen, sie möchten nicht auf die Unterstützung der Schwedendemokraten angewiesen sein.

Es könnte also lange dauern, bis Schweden eine neue Regierung hat. Was bedeutet das für das Land?

Wirtschaftlich und politisch besteht keine grosse Gefahr, weil Schweden gut aufgestellt ist. Und in vielen Fragen sind sich auch die meisten Parteien – mit Ausnahme der Schwedendemokraten – einig; zum Beispiel in der EU-Politik, in der Sicherheitspolitik, und auch wirtschaftspolitisch in grossen Zügen.

Das grosse Fragezeichen sind die Gräben in der Migrationspolitik, oder auch der grosse Stadt-Land-Graben.

Aber das grosse Fragezeichen sind die Gräben, die sich geöffnet haben, sind diese Bruchstellen, die durch diese Wahlen deutlich geworden sind, in der Migrationspolitik zum Beispiel, oder auch der grosse Stadt-Land-Graben. Diese Probleme werden sich verschärfen, sollte es nicht möglich sein, in den nächsten Wochen und Monaten eine Regierung zu bilden.

Das Gespräch führte Hans Ineichen.

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