Es ist ein Novum: Zum ersten Mal haben die teilnehmenden Staaten an der internationalen Artenschutzkonferenz ein Handelsverbot für Haie beschlossen. Die Haie und die Rochen bilden den Schwerpunkt der diesjährigen Konferenz in Usbekistan. Mehr als ein Drittel der über 1250 Hai- und Rochenarten sind gemäss WWF vom Aussterben bedroht. Für 74 davon haben die teilnehmenden Staaten nun den Schutz verbessert: mit strengeren Regeln für den Handel der Tiere oder sogar kompletten Verboten. Der Meeresbiologe Ralf Sonntag vertritt die NGO «Pro Wildlife» an der Konferenz und nimmt Stellung im Interview.
SRF News: Wie zufrieden sind Sie mit den neuen Schutzbestimmungen?
Ralf Sonntag: Wir sind sehr glücklich darüber, dass die Staaten diese neuen Schutzmassnahmen verabschiedet haben. Damit haben die Tiere eine reelle Chance, zu überleben. Für die Haie und Rochen war das dringend nötig: Sie sind die am stärksten bedrohte Wirbeltiergruppe überhaupt. Grundsätzlich ist es ein grosser Schritt für den Artenschutz.
Aber?
Bei solchen Beschlüssen ist auch immer eine gewisse Frustration dabei. Denn wenn wir eine Art listen, heisst es, dass es denen wirklich schlecht geht und die Bestände stark zurückgehen. Und wir müssen immer mehr Arten so unter Schutz stellen, weil sie zu verschwinden drohen. Bei den Haien und Rochen ist es im Moment mit am schlimmsten – mit fatalen Folgen fürs Ökosystem.
Wir konnten am Bild des Hais als Bestie rütteln, indem wir gezeigt haben, wie wichtig die Tiere sind.
Was macht die Haie so wichtig für das Ökosystem?
Sie sind vor allem wichtig für die Korallenriffe. Wenn die Haie verschwinden, vermehren sich beispielsweise mittelgrosse Raubfische viel stärker. Die wiederum fressen die kleineren Algenfresser. Und wenn niemand mehr die Algen frisst, überwuchern diese die Korallen und zerstören sie damit. Die Haie spielen also eine wichtige Rolle im Gleichgewicht der marinen Ökosysteme.
Wie sind die neuen Schutzmassnahmen zustande gekommen?
Viele der Hai- und Rochenarten hatten bisher überhaupt keinen Schutz. Dass wir sie nun schützen können, haben wir nur geschafft dank enger Zusammenarbeit mit anderen Umweltverbänden und vielen Teilnehmerstaaten. Wir konnten am Bild des Hais als Bestie rütteln, indem wir gezeigt haben, wie wichtig die Tiere sind. Dafür haben wir zum Beispiel Workshops gemacht in den Regionen, wo die Tiere gejagt werden: in Lateinamerika, in Afrika, im Mittleren Osten.
Warum werden Haie in diesen Regionen so intensiv gejagt?
Der wichtigste Grund ist nach wie vor der lukrative Handel mit Haifischflossen. Die Haifischflossensuppe gilt in Asien als Delikatesse. Für eine Schüssel Suppe zahlt man um die 100 Dollar – das macht sie zu einem Symbol für hohen Status. Andere Haiarten werden auch wegen ihrer Leber gejagt. Die ist stark ölhaltig, das Öl wird zum Beispiel in der Medizin verwendet.
Die Artenschutzkonferenz befindet sich in der Halbzeit – Ihr Zwischenfazit?
Wir sind nicht nur mit dem Schutz der Haie zufrieden, sondern auch mit den Beschlüssen zu den Elefanten, den Nashörnern und den Giraffen. Es wurde verhindert, dass ihr Schutz herabgestuft wird. In der neuen Woche wird es zum Beispiel noch um den Schutz der Faultiere oder der Streifenhyäne gehen – aber auch um kleinere Tierarten bis hin zur Tarantel.
Das Gespräch führte Silvia Staub