Das ist passiert: Russland hat als erstes Land der Welt offiziell die Regierung der radikalislamischen Taliban in Afghanistan anerkannt. Moskau habe die Akkreditierungsurkunde eines neuen afghanischen Botschafters angenommen, hiess es vom russischen Aussenministerium.
Das sagt Moskau: Die Anerkennung des Islamischen Emirats Afghanistan würde der Zusammenarbeit einen Impuls geben, so das Ministerium weiter. Russland wolle Afghanistan im Kampf gegen den Terrorismus und den Drogenhandel unterstützen.
Russlands zwei Gründe: Gemäss Russland-Korrespondent David Nauer gibt es für die Anerkennung der Taliban hauptsächlich zwei Gründe:
- Mehr Einfluss in Zentralasien: Russland betrachtet Afghanistan seit Jahrzehnten als Teil seines Einflussgebiets in Zentralasien. Zu Sowjetzeiten hat Moskau jahrelang Krieg geführt in dem Land. Nun sieht sich Russland durch örtliche Islamistengruppen bedroht. Beispielsweise reklamierte der Islamische Staat Provinz Khorasan (ISPK), ein Flügel innerhalb des IS, den Anschlag auf eine Moskauer Konzerthalle Ende März 2024 mit 140 Toten für sich. Der ISPK kämpft auch gegen die Taliban in Afghanistan. «Die Taliban und Moskau haben somit den gleichen Gegner. Das schweisst zusammen – und passt zudem zu den regionalen Machtansprüchen Moskaus, eng mit Kabul zusammenzuarbeiten.»
- Zur geostrategischen Strategie passend: Seit dem Überfall auf die Ukraine versucht Russland, Länder aus dem globalen Süden auf seine Seite zu ziehen. Nach Nordkorea und China folgt jetzt Afghanistan. «Die Anerkennung Afghanistans passt in diese russische Strategie hinein.»
Das sagen die Taliban: Sie sprechen von einem «historischen und mutigen Schritt», einem «guten Beispiel» Russlands.
Russlands blutige Beziehung zu den Taliban: Die Beziehungen zwischen Russland und Afghanistan haben eine wechselhafte und oft blutige Geschichte: Nach dem sowjetischen Einmarsch Ende 1979 führten die Russen für die damals kommunistische Regierung und gegen islamistische Aufständische – die sogenannten Mudschaheddin – Krieg (siehe Box unten). Die Taliban wurden von ehemaligen Mudschaheddin gegründet. Ausserdem anerkannten die Taliban nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeitserklärung der abtrünnigen russischen Region Tschetschenien deren Unabhängigkeit. Die Taliban unterstützten die ebenfalls islamistischen, tschetschenischen Kämpfer mit Geld und Waffen. Unter anderem deshalb hat Präsident Wladimir Putin nach dem Terroranschlag in den USA am 11. September den US-Einmarsch in Afghanistan damals gutgeheissen.
«Die totale Kehrtwende»: Zuletzt hat Russland seine Beziehungen zu den Taliban schrittweise ausgebaut. Putin hatte die Islamisten im vergangenen Jahr als Verbündete im Kampf gegen den Terrorismus bezeichnet. Seit 2022 importiert Afghanistan Erdgas, Öl und Weizen aus Russland. Die Taliban waren an Wirtschaftsforen in St. Petersburg eingeladen. Noch bis vor zwei Monaten waren die Taliban in Russland als terroristische Organisation eingestuft und verboten gewesen. «Es ist eine totale Kehrtwende Russlands – aber es ist eine Kehrtwende, die der Kreml lange aufgegleist hat – auch mit Blick auf die Konfrontation mit dem Westen. Russland verbündet sich mit allen, die sich als Feinde des Westens sehen», sagt Russland-Korrespondent David Nauer.