Bittere Nachricht für Litauen, Lettland und Estland: Die USA wollen laut Medienberichten die Militärhilfe für die baltischen Staaten per Ende 2026 beenden. Das Vorhaben sei Teil der Aussenpolitik unter dem Motto «America First». Denn US-Präsident Donald Trump drängt die europäischen Länder, mehr in ihr eigenes Militär zu investieren. Fredy Gsteiger ordnet ein, welche Folgen die US-Pläne für das Baltikum und Europa insgesamt haben könnten.
Welche Bedeutung hat die US-Präsenz im Baltikum?
Die baltischen Staaten fühlen sich vom Nachbarn Russland bedroht. Gegenüber Russland sind sie sehr exponiert. Auch wegen des flachen, für grosse Panzereinsätze geeigneten Geländes. Die drei Länder lassen sich nur schwer verteidigen. Ohne die Hilfe von anderen Nato-Staaten wäre das fast unmöglich – obschon sie zu den Ländern im westlichen Militärbündnis gehören, die sehr stark aufrüsten.
Nato-Hilfe bedeutete bislang immer auch US-Hilfe. Derzeit haben die USA rund 2000 Soldatinnen und Soldaten im Baltikum stationiert, dazukommen weitere im benachbarten Polen. Die US-Präsenz im Baltikum ist zwar nicht besonders gross. Sie ist aber ein Signal an Moskau: Bei einem Angriff würde es Russland mit der US-Armee zu tun bekommen. Nun ist unklar, wie lange und in welchem Umfang diese US-Truppen bleiben. Demnächst soll man diesbezüglich Näheres erfahren.
Wie stehen die Nato-Staaten zur Aufrüstung?
Die Nato war geraume Zeit gespalten bei der Frage, wie viel aufgerüstet werden soll und welche Länder wie viel beitragen müssen. Noch immer sind die Sichtweisen unterschiedlich. Das hängt nicht zuletzt mit dem Bedrohungsgefühl und der Geographie zusammen. Politik und Bevölkerung erachten eine massive Aufrüstung nicht überall als gleich zwingend. Spanien und Italien sind nun einmal deutlich weiter von Russland entfernt als Estland, Polen, Norwegen oder Rumänien.
Insgesamt will aber eine klare Mehrheit der Nato-Staaten mehr für die eigene Sicherheit ausgeben. Man geht inzwischen in den meisten Hauptstädten davon aus, dass man sich künftig entschieden weniger auf die USA wird verlassen kann als bisher – und zwar nicht nur wegen Donald Trump. Dies dürfte sich grundsätzlich auch unter seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin nicht ändern.
Ziehen sich die USA ganz aus Europa zurück?
Das ist noch nicht wirklich klar. Angedeutet haben die USA, dass sie zumindest ihre Atomwaffen – also den nuklearen Schutzschirm – weiterhin zur Abschreckung zur Verfügung stellen werden. Die Abschreckungswirkung dürfte also vorerst erhalten bleiben. Auch wenn unsicher ist, ob das auch langfristig so bleiben wird. Deswegen macht man sich auch Gedanken über eine europäische Atombombe.
Sehr offen ist allerdings, ob die Amerikaner die 80'000 US-Soldaten, die derzeit in Europa stationiert sind, auf dem Kontinent belassen. Diese Truppenpräsenz wird derzeit im Pentagon in Washington überprüft. Der Leiter dieser Überprüfung ist Vize-Verteidigungsminister Elbridge Colby – und er gilt als Gegner der US-Militärpräsenz in Europa.