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Amnesty wirft «Apartheid» vor Warum ausgerechnet Israel?

Es gibt kaum ein Land, in dem es keine Diskriminierung von Minderheiten gibt. Wie Diskriminierung und Rassismus zu Menschenrechtsverletzungen führen, dokumentiert Amnesty International (AI) seit mehr als sechzig Jahren.

Im Nahen Osten ist ein Menschenleben oft besonders wenig wert: Willkürliche Verhaftungen, Folter und Tötungen sind hier in allen Staaten an der Tagesordnung. Auch in Israel und den von ihm besetzten palästinensischen Gebieten, wobei die Täter nicht nur Israelis sind.

Warum Israel herauspicken?

Der Westen hilft bei der Diskriminierung und Gewalt in der ganzen Region mit: Der weltweite «Krieg gegen Terrorismus» hat Araber, vor allem Muslime, weltweit unter Generalverdacht gestellt, die USA sprechen von «Kollateralschäden», wenn ihre Drohnen arabische Zivilistinnen und Zivilisten töten, Guantanamo gibt es noch immer.

Warum also Israel herauspicken und als «Apartheid-Staat» an den Pranger stellen? AI beantwortet diese Frage mit einem Zitat des ehemaligen israelischen Premiers Benjamin Netanjahu: «Israel ist nicht ein Staat aller seiner Bürger, sondern ausschliesslich der Staat des jüdischen Volkes.» Mit diesem Zitat beginnt der 200-seitige Bericht, der beweisen soll, dass Israel die nicht-jüdische Bevölkerung systematisch unterdrücke, und mit seiner «Apartheid» gegen das Völkerrecht verstosse.

Israelis empfinden den Vorwurf gleich doppelt

Der Vorwurf an sich ist nicht neu: 2021 warf Human Rights Watch Israel «Apartheid-Verbrechen gegen die Palästinenser» in den von ihm besetzten Gebieten vor. AI geht einen Schritt weiter und bezichtigt Israel auch innerhalb seiner international anerkannten Grenzen der systematischen Apartheid, und das seit der Staatsgründung 1948.

Auf diesen Vorwurf reagiert die israelische Öffentlichkeit doppelt empfindlich: In ihren Augen spricht Amnesty International Israel grundsätzlich sein Existenzrecht ab – was die Organisation bestreitet – und: Sie fragt sich, warum von «Apartheid» sprechen, wenn Araberinnen und Araber in Israel wählen dürfen, Richter, Ärztinnen und Uni-Professoren werden können? Und das ausgerechnet jetzt, da Israel erstmal eine Regierung hat, in der auch eine arabische Partei vertreten ist? Ist das «Apartheid?», fragen selbst linke Israelis, die an ihrem Land viel auszusetzen haben.

Diese streiten Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung auch gar nicht ab, im Gegenteil: Sie reden und schreiben öffentlich dagegen an und sind dabei meist in der Minderheit. Doch auch diese Minderheit fühlt sich gebrandmarkt, wenn Menschenrechtsorganisationen ihr Israel als «Apartheid-Staat» brandmarken. «Was will Amnesty International damit sagen?», fragen sie. Und: «Warum jetzt?»

AI bleibt Erklärung schuldig

Die Menschenrechtsorganisation betont, sie setze sich seit jeher ein gegen Rassismus und Antisemitismus. Der Vorwurf, ihr Bericht sei antisemitisch, wie dies Aussenminister Yair Lapid formuliert hat, weist sie zurück. Sie wolle nur auf die massiven und völkerrechtswidrigen Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen, die Palästinenserinnen und Palästinenser unter dem «System der institutionellen Diskriminierung» des Staates Israel erleiden würden.

Die Erklärung, warum sie ausgerechnet jetzt den einzigen jüdischen Staat der Welt als «Apartheidstaat» bezeichnet, in einer Welt, in der Dutzende von Ländern eine Religion, eine Volksgruppe oder eine «Leitkultur» bevorzugen und mindestens so schwere Menschenrechtsverletzungen begehen, bleibt sie schuldig.

Susanne Brunner

Leiterin Auslandredaktion

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Susanne Brunner war für SRF zwischen 2018 und 2022 als Korrespondentin im Nahen Osten tätig. Sie wuchs in Kanada, Schottland, Deutschland und in der Schweiz auf. In Ottawa studierte sie Journalismus. Bei Radio SRF war sie zuerst Redaktorin und Moderatorin bei SRF 3. Dann ging sie als Korrespondentin nach San Francisco und war nach ihrer Rückkehr Korrespondentin in der Westschweiz. Sie moderierte auch das «Tagesgespräch» von Radio SRF 1. Seit September 2022 ist sie Leiterin der Auslandsredaktion von Radio SRF.

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