Die Präsidentin von Peru, Dina Boluarte, ist abgesetzt worden. Das peruanische Parlament hat sie wegen «dauerhafter moralischer Unfähigkeit» des Amtes enthoben, wie der Kongress mitteilte. Boluarte war die erste Frau an der Spitze Perus. Sie war knapp drei Jahre im Amt, aber äusserst umstritten und unpopulär, wie Umfragen zeigten. Sie stand vor allem wegen der hohen Kriminalität in der Kritik. Warum die Absetzung gerade jetzt erfolgte, weiss Südamerika-Korrespondentin Teresa Delgado.
Was war der Auslöser für die Amtsenthebung?
Ein brutaler Überfall bei einem Konzert einer Cumbia Band, die lateinamerikanische Musik spielte. Es fielen Schüsse. Mehrere Band-Mitglieder wurden verletzt, Teile des Publikums ausgeraubt. Seit Jahresbeginn sind in Peru über 6000 Menschen aufgrund von Gewalt gestorben. Der Überfall auf das Konzert war ein Sinnbild dafür, dass die Präsidentin die Sicherheitslage im Land überhaupt nicht im Griff hatte.
Was ist an den Ermittlungen gegen Boluarte wegen illegaler Bereicherung dran?
Dina Boluarte und ihre Familie wurden schon letztes Jahr mit verschiedenen Rolex-Uhren und Schmuck im Wert von einer halben Million US-Dollar fotografiert, obwohl die peruanische Präsidentin nur knapp mehr als 3000 US-Dollar pro Monat verdient. Das wurde zum sogenannten Rolex-Gate-Skandal. Seither steht die Vermutung im Raum, dass Boluarte sich hat bestechen lassen: Sie hat als Präsidentin viele Projekte zugunsten der Minenindustrie durchgebracht, oder auch jenes des chinesischen Mega-Hafens Chancay nördlich der Hauptstadt Lima. Das müsste alles Gegenstand von Ermittlungen sein, weil Boluarte durch die Amtsenthebung nicht mehr Präsidentin ist und somit auch keine Immunität mehr geniesst. Sie könnte –wie so viele peruanische Präsidenten vor ihr – auch ins Gefängnis wandern.
Weshalb kam es trotz Boluartes Umstrittenheit erst jetzt zum Bruch mit dem Parlament?
Ich erinnere an die allertiefsten Zustimmungswerte für eine lateinamerikanische Präsidentin. Nur etwa vier Prozent Rückhalt genoss sie in der Bevölkerung – und das war letztes Jahr. Insofern ist es erstaunlich, dass das Parlament sie nicht schon früher abgesetzt hat, zum Beispiel, als dieser Rolex-Skandal passierte. Zudem liess Boluarte zu Beginn ihrer Präsidentschaft auch die Proteste der Indigenen gegen sie ganz blutig niederschiessen. Wenn es dem Parlament wirklich um Recht und Ordnung ginge, hätte es früher gehandelt. Es geht um Strategie: Peru hat ein Einkammer-System. Das Parlament kann fast im Alleingang Gesetze beschliessen. Es gibt also eine enorme Machtkonzentration. Nur die Präsidentin kann dieses mit ihrem Veto-Recht im Zaum halten. Aber wenn das Parlament der Präsidentin ständig mit einem Amtsenthebungsverfahren oder einer Gefängnisstrafe droht, dann wird die Präsidentin zur Marionette. Das war in Boluartes Präsidentschaft zu beobachten. Das Parlament hat offenbar jetzt entschieden, dass Boluarte ihm mehr schadet, als dass sie ihm nützt. Der Zeitpunkt ist natürlich kein Zufall.