Der chinesische Präsident Xi Jinping ist nach Moskau zum russischen Staatschef Wladimir Putin gereist. Er wird bei der grossen russischen Gedenkfeier zum Sieg im Zweiten Weltkrieg dabei sein. Der Besuch ist für vier Tage geplant. Beim Treffen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin soll es nach Angaben des Kremls um den Bau einer lange geplanten zweiten Gasexportleitung nach China gehen. Internationale Themen seien der Krieg in der Ukraine und die Wiederaufnahme von Gesprächen zwischen Russland und den USA. Der freie Journalist Fabian Kretschmer erklärt die Hintergründe des Treffens.
SRF News: Warum stellt sich Xi Jinping so demonstrativ an die Seite von Wladimir Putin?
Fabian Kretschmer: Diese Frage hat man sich in Europa schon oft gestellt. Auch als der Ukraine-Krieg von Putin angefangen hat, hat sich Xi Jinping an seine Seite gestellt. Xi und Putin haben sich während ihrer Amtszeit schon über 40-mal getroffen. Die beiden haben ähnliche Vorstellungen davon, wie die weltpolitische Geschichte zu sehen ist. Zum Beispiel sehen beide den Zerfall der Sowjetunion als Trauerfall. Sie haben auch eine geeinte Ansicht darüber, dass die westliche Weltordnung durchbrochen werden muss und dass man eine neue, alternative Weltordnung installieren muss.
Letztendlich ist China die Nähe zu Russland wichtiger.
Ist es China egal, wenn Xis Besuch bei Putin bei den Europäern schlecht ankommt?
Egal ist es Xi nicht. Aber China fährt eine Art doppeltes Spiel: China weiss genau, dass die europäischen Unternehmen am chinesischen Markt interessiert sind. Das Land sieht sich auch selbst als aufsteigende Weltmacht. Aber letztendlich ist die Nähe zu Russland wichtiger.
Wieso soll der Besuch vier Tage dauern?
Das ist schon ungewöhnlich. Eigentlich ist zur Norm geworden, dass Staatschefs nach Peking reisen und dort von Xi empfangen werden. Wenn er nun selbst ins Ausland reist, zeigt das eine gewisse Wichtigkeit. Dass er für so lange bleibt, belegt, dass Russland wirklich eine strategische Bedeutung für China hat. Wir kennen sein genaues Programm nicht. Fest steht, dass Xi Jinping an der Siegesparade in Russland teilnehmen wird.
China hat diesen Krieg nicht gewollt und es liefert auch keine Waffen.
Ist dies ein Signal, dass China Putins Krieg in der Ukraine unterstützt?
Diesbezüglich hat sich Chinas Haltung nicht gross geändert. Meiner Meinung nach unterstützt China den Krieg indirekt. China hat diesen Krieg nicht gewollt und es liefert auch keine Waffen. Aber alles andere, die sogenannten Dual Use Güter – Produkte, die wichtig für Putins Kriegsmaschinerie sind –, liefert China. Es unterstützt Russland auch wirtschaftlich. Und deswegen kann man sagen, dass Putin diesen Krieg nicht in diesem Ausmass führen könnte ohne China. Tatsächlich ist China keine neutrale Macht, sondern ist strategisch an der Seite Russlands.
Ein Grossteil der Autos, die mittlerweile auf den Strassen von Moskau fahren, kommt aus China.
Gibt es noch anderes, was Russland macht, wovon China profitieren kann?
Ja, vor allem wirtschaftlich. Als der Krieg angefangen hat und die westlichen Firmen Russland verlassen haben, hat China dieses Vakuum gefüllt. Und China ist energiehungrig. Öl und Gas bekommt es aus Russland, und zwar zu Rabattkonditionen. China nutzt die Situation, dass Russland der Juniorpartner ist, gut aus. Russland ist quasi abhängig von China. Gleichzeitig liefert China viel Verbraucherelektronik. Ein Grossteil der Autos, die mittlerweile auf den Strassen von Moskau fahren, kommen aus China. 2021 betrug der bilaterale Handel knapp 150 Milliarden Dollar, im letzten Jahr waren es 250 Milliarden Dollar.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.