SRF News: Charles Liebherr, was bedeutet dieser Anschlag für die Wahlen?
Charles Liebherr: Dieser hat natürlich eine Auswirkung auf den Wahlgang am Sonntag. Wahrscheinlich wird es die Wählenden zusätzlich mobilisieren. Die bisherigen Wahlumfragen zeigten, dass eine ungewöhnlich hohe Zahl an Bürgern sich noch nicht sicher war, ob sie stimmen gehen und wem sie ihre Stimme geben soll. Nach diesem Anschlag würde es mich nicht überraschen, wenn die Wahlbeteiligung wieder etwa gleich hoch sein wird wie bei früheren Wahlen. Das heisst, dass dann rund 80 Prozent der Französinnen und Franzosen teilnehmen werden.
Gibt es Kandidaten, denen dieser Anschlag in die Hände spielt?
Ich glaube nicht, dass es Kandidatinnen und Kandidaten gibt, die von diesem Anschlag profitieren können. In den letzten Wochen und Monaten gab es ja mehrere gezielte Attacken auf Sicherheitskräfte in Frankreich, etwa am Flughafen in Orly, im Louvre oder auch anderswo. Solche Anschläge sind in Frankreich leider nichts Aussergewöhnliches mehr. Weil das eine triste Realität geworden ist, sprechen auch alle Kandidaten in dieser Frage fast die gleiche Sprache. Alle sind sich einig, dass Militär und Polizei mehr Mittel erhalten sollen. Die Budgets für die Geheimdienste wurden bereits massiv erhöht. Darum kann sich nicht eine Kandidatin oder ein Kandidat besonders profilieren.
Solche Anschläge sind in Frankreich leider nichts Aussergewöhnliches mehr.
Sie denken nicht, dass das der Nationalistin Marine Le Pen Aufwind gibt?
Man kann das natürlich nie im Voraus sagen, aber die heutigen Wahlkampfveranstaltungen wurden von allen Kandidaten abgesagt. Das heisst, die Kampagne geht nun einen Tag früher zu Ende als geplant. Es ist schwer, in diesem Umfeld Prognosen zu wagen, ob und welche Auswirkungen das hat.
Als der Anschlag am Abend geschah, traten die Kandidaten gerade im Fernsehen auf. Was für Reaktionen gab es?
Erst gegen Ende der Sendung konnten die Kandidaten überhaupt auf den Anschlag reagieren. Man hat beobachten können, was ich beschrieben habe: Man ist sich weitgehend einig, dass der Terrorismus mit mehr Mitteln und zusätzlichen Kompetenzen für Sicherheitsbehörden bekämpft werden soll. Und natürlich haben auch alle Kandidaten das Publikum zu beruhigen versucht. Sie haben betont, dass sie grösstes Vertrauen haben in Polizei und Justiz, und dass die Sicherheit, insbesondere am kommenden Wahltag, gewährleistet bleibe. Das grösstmögliche Aufgebot wird dann im Einsatz sein. Mehr als 50'000 Polizisten sollen diesen Wahltag sicher machen.
Mehr als 50'000 Polizisten sollen diesen Wahltag sicher machen.
Das Gespräch führte Claudia Weber.