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Angriff auf die Ukraine Anne Applebaum: «Putin muss vom Geld abgeschnitten werden»

Die preisgekrönte Journalistin und Historikerin spricht Klartext: Putins Regime müsse zum Umdenken gezwungen werden.

«Putin muss gedemütigt werden», sagt die preisgekrönte Journalistin und Historikerin Anne Applebaum mit Spezialgebiet Russland und Osteuropa. Der Angriffskrieg auf die Ukraine zeige ganz deutlich das Weltbild von Russlands Machthaber.

«Er hat eine imperialistische Sichtweise. Diese beinhaltet, dass gewisse Staaten existieren dürfen, andere hingegen nicht.» Deshalb müsse Putin und der ganzen russischen Elite aufgezeigt werden, dass diese Sichtweise in eine Sackgasse führe, so Applebaum.

Ich sehe kein Zeichen, dass Putin vom Ziel abgekommen ist, die Ukraine zu zerstören.
Autor: Anne Applebaum US-Historikerin und Journalistin

Solange die russische Elite an ihrer Sichtweise festhalte, bringe es nichts, möglichst schnell einen Frieden zu schliessen, argumentiert die Historikerin. Denn wenn im Gegenzug für einen Frieden Russland, dem Invasoren, die eroberten Gebiete in der Ostukraine zugestanden würden, würde dies Putin nicht vom eigentlichen Ziel abbringen, die Ukraine zu zerstören. «Und ich sehe kein Zeichen, dass er von diesem Ziel abgekommen ist.

Harsche Kritik an Kissingers Vorschlag

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Kissinger am WEF.
Legende: Reuters

Die Idee, möglichst rasch durch Verhandlungen ein Kriegsende herbeizuführen und Russland dafür eroberte Gebiete in der Ostukraine zu überlassen, wurde etwa am WEF in Davos vom 99-jährigen ehemaligen US-Aussenminister Henry Kissinger ins Spiel gebracht. Er erntete dafür harsche Kritik aus Kiew, aber etwa auch aus Polen. Kissinger betrachte den Krieg in der Ukraine aus der Optik des Kalten Kriegs, hiess es etwa. Damals aber seien sich zwei Blöcke gegenübergestanden, die durch die atomare Kriegsdrohung in einem Gleichgewicht des Schreckens verharrt hätten. Doch heute könne niemand garantieren, dass Putin die Ukraine nach einem allfälligen Frieden nicht nach kurzer Zeit erneut angreifen würde.

Putin erhielte bloss Zeit, um seine Truppen neu zu formieren und dann die Ukraine möglicherweise erneut anzugreifen. Applebaum sieht deshalb nur einen Weg, um Russland langfristig in die Knie zu zwingen: Putin und die Führungsriege müssen von den Geldquellen abgeschnitten werden. Denn das Geld halte diese Personen an der Macht.

Verantwortung des Westens

Putin und seine Clique hätten das Geld schlicht und einfach gestohlen, etwa beim Verkauf von russischen Rohstoffen. Dieses Geld sei dann im Ausland gewaschen worden und zurück nach Russland geflossen.

Deshalb sieht die US-Historikerin hier auch eine Verantwortung des Westens und insbesondere der Schweiz. «Wir – in der Schweiz, in London, in New York – haben diese Geldwäsche ermöglicht.» So etwas dürfe sich nicht wiederholen.

Preisgekrönte Historikerin Applebaum

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Applebaum spricht.
Legende: Keystone

Anne Applebaum ist am Swiss Economic Forum in Interlaken aufgetreten. Die amerikanische Historikerin und Journalistin wurde für ihre Arbeiten über die jüngere Geschichte Osteuropas und Russlands schon mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Pulitzer-Preis und mehrfach mit dem Duff-Cooper-Prize.

Deshalb müssten diese Geldflüsse unbedingt unterbrochen und die russische Führungsriege von den Geldquellen abgeschnitten werden, so die 57-jährige Amerikanerin.

Sanktionen müssen noch weiter gehen

In ihren Augen sind die bisher geschnürten Sanktionspakete gegen Russland erst ein Anfang: «Putin nimmt jeden Tag Hunderte Millionen Dollar mit Gas- und Ölverkäufen ein.» Solange dies nicht gestoppt werde, könne Putin die Welt weiter vor sich hertreiben.

Der Westen sollte also kein russisches Öl und Gas mehr kaufen, so Applebaum. Insofern gehe das diese Woche von der EU beschlossene Teil-Embargo für russisches Öl in die richtige Richtung.

Erst, wenn Putin und die gesamte russische Führungsriege begreife, dass sie mit ihrer Politik Russland zerstörten, bestehe die Möglichkeit, dass sich Russlands Führung anders verhalte. Und erst dann bestehe die Aussicht auf einen echten Frieden.

SRF 4 News, Echo der Zeit vom 2.6.2022, 18:00 Uhr

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