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Angriff auf Spital in Gaza «Wir hören von schrecklichen Szenen im Al-Schifa»

Die israelische Armee ist in einen Teil des grössten Spitals von Gaza-Stadt, Al-Schifa, eingedrungen. Laut Israel befindet sich in Tunnels unter dem Spital eine Kommandozentrale der radikal-islamischen Hamas. Die Berichte über heftige Kämpfe seien plausibel, sagt der ARD-Journalist Björn Dake, der sich derzeit in Tel Aviv befindet.

Björn Dake

ARD-Korrespondent in Tel Aviv, Israel

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Der Journalist Björn Dake arbeitet normalerweise im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin. Derzeit befindet er sich als Verstärkung des ARD-Teams in Tel Aviv.

SRF News: Was ist über die Lage im Spital Al-Schifa und dem Spitalgelände bekannt?

Björn Dake: Laut der Gesundheitsbehörde in Gaza, die von der Hamas kontrolliert wird, gibt es im Keller des Spitals Kämpfe zwischen israelischen Soldaten und bewaffneten Palästinensern. Ärzte des Spitals berichten, dass Soldaten über die Notaufnahme und die Chirurgie in das Spital eingedrungen seien, um dort Hamas-Kämpfer zu suchen.

Israel sagt, unter dem Spital würden möglicherweise einige der am 7. Oktober verschleppten Geiseln festgehalten.

Das alles klingt plausibel – vor allem auch, weil Israel seit Tagen davor warnt, dass sich unter dem grössten Spital im Gazastreifen eines der Hamas-Hauptquartiere befinde. Möglicherweise würden dort auch einige der am 7. Oktober aus Israel verschleppten Geiseln festgehalten. Die israelische Armee präsentierte in den letzten Tagen immer wieder Bilder und Videos, die Tunneleingänge der Hamas in anderen Spitälern des Gazastreifens zeigen sollen. Es war also bloss eine Frage der Zeit, bis die Soldaten auch ins Al-Schifa-Spital eindringen würden.

Inwiefern verschärft sich die Situation für die Menschen im Spital durch das Eindringen der israelischen Soldaten?

Im Al-Schifa sollen sich mehr als 2000 Menschen aufhalten. Für sie wird die Situation durch die Kämpfe natürlich gefährlicher. Die israelische Armee ihrerseits betont, man habe die Menschen seit Tagen davor gewarnt, dass man bald auf das Gelände vor- und ins Spital eindringen werde – und zum Verlassen des Geländes aufgefordert.

Die Armee gibt sich grosse Mühe zu unterstreichen, dass es sich auch um eine Hilfsaktion für Zivilisten handelt.

Weiter heisst es seitens Israels, im Spital seien speziell geschulte Soldaten im Einsatz, die auch Arabisch sprächen. Begleitet würden sie von medizinischem Personal, das auch Hilfsgüter dabei habe. Von der Armee publizierte Fotos zeigen Kartons mit der Aufschrift «Medizin» und «Babynahrung». Auch Brutkästen für Neugeborene sollen geliefert werden. Die Armee gibt sich also grosse Mühe zu unterstreichen, dass es sich nicht nur um eine Militäraktion gegen die Hamas, sondern auch um eine Hilfsaktion für Zivilisten handelt.

Laut Augenzeugenberichten sollen israelische Panzer auf das Spitalgelände vorgerückt sein. Was weiss man darüber?

Die Berichte klingen plausibel. In den vergangenen Tagen hatten wir mehrmals Kontakte zu Ärzten und Pflegerinnen in dem Spital. Dabei waren im Hintergrund zuweilen auch Schüsse zu hören. Es gibt dort also tatsächlich heftige Gefechte, bei denen auch Panzer im Einsatz sein dürften. Für die Menschen im Al-Schifa ist das natürlich eine sehr gefährliche Situation.

Kann Verletzten oder Kranken in dem Spital noch geholfen werden?

Nein. Ärzte im Al-Schifa-Spital sagen uns seit mehreren Tagen, dass keine Patientenversorgung mehr möglich sei. Es fehlt an Medizin und Strom. Die Angestellten in dem Spital tönen sehr frustriert, dass sie ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen und den Patienten nicht mehr helfen können. Die Situation im Spital ist offenbar sehr prekär und schockierend. Es gibt auch Berichte, wonach auf dem Innenhof viele Leichen liegen würden, zu denen man nicht hinkomme, weil immer wieder geschossen werde.

Das Gespräch führte Nicolas Malzacher.

SRF 4 News aktuell, 15.11.2023, 09:40 Uhr ; 

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