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Angriffskrieg auf die Ukraine Sanktionen beschädigen die russische Wirtschaft langfristig

In Brüssel wird bald das 17. Sanktionspaket verabschiedet – doch bislang zeigt sich Russland relativ resilient gegen die Massnahmen.

Darum geht es: Die EU hat sich am Mittwoch auf ein weiteres – das 17. – Sanktionspaket gegen Russland geeinigt, wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine. Betroffen sind Diplomatenkreisen zufolge etwa 200 Tanker, mit denen Russland Öl und Ölprodukte unter Umgehung bisheriger Strafmassnahmen exportiert. Ausserdem gibt es neue Beschränkungen für rund 30 Firmen, die mit sogenannten Dual-Use-Gütern handeln, und 75 weitere Personen mit Verbindungen zur russischen Rüstungsindustrie werden sanktioniert.

Hybriden Angriffen etwas entgegensetzen

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Die EU-Länder vereinbarten auch, die rechtliche Grundlage für ihren Sanktionsrahmen gegen hybride Bedrohungen durch Russland zu erweitern. So sollen Sanktionen gegen Flotten ermöglicht werden, die Unterseekabel und andere Infrastrukturanlagen beschädigen.

Das 17. Sanktionspaket gegen Russland wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine soll nächste Woche von den EU-Aussenministern in Kraft gesetzt werden.

Mögliche Wirkung: Die neuen Sanktionen der EU werden nicht unmittelbar wirken. «Doch wir sehen, dass schon die bisherigen Sanktionen die russische Wirtschaft durchaus schädigen», sagt SRF-Wirtschaftsredaktor Matthias Heim. Indem der russische Staat viel Geld in die Hand nehme, um die Wirtschaft zu stützen, seien die Folgen im Land aber bisher begrenzt. «Noch hat der Staat Geld dafür – aber die Einnahmen und Reserven schwinden rapide», stellt Heim fest. Für ihn ist klar: «Der Druck auf Russland aus dem Westen nimmt zu.»

Die hohen Zinsen schädigen die russische Wirtschaft langfristig massiv.
Autor: Matthias Heim Wirtschaftsredaktor bei Radio SRF

Wirtschaft unter Druck: Die Inflation liegt in Russland offiziell bei über zehn Prozent – real wird sie noch höher sein. Die Zinsen sind sehr hoch. Für die russische Wirtschaft sind das schwierige Bedingungen. «Da der Leitzins bei 21 Prozent liegt, sind auch Kredite von Banken teuer und faktisch nicht mehr bezahlbar», sagt der Wirtschaftsredaktor. Investitionen – sowohl von Privaten als auch solche von Unternehmen – würden extrem gebremst, weil es praktisch unmöglich sei, solche mithilfe von Krediten zu bestreiten. «Das schädigt die russische Wirtschaft langfristig massiv.»

Putin-hörige Richter im Visier

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Die EU will auch Sanktionen gegen Richter und Staatsanwälte in Russland verhängen, die an den Verurteilungen der Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa und Alexej Nawalny beteiligt waren. Nawalny starb im Februar 2024 in einer russischen Strafkolonie. Kara-Mursa sass ebenfalls in einer Strafkolonie. Er kam 2024 im Rahmen eines grösseren Gefangenenaustausches mit westlichen Staaten frei und verliess Russland.

Schweigende Bevölkerung: Die hohe Inflation und die Zinsen schlagen auch auf die russische Bevölkerung durch. Viele Produkte des täglichen Lebens werden stetig teurer, während die Löhne inzwischen kaum mehr steigen. Doch die Bevölkerung mache dafür kaum den Angriffskrieg auf die Ukraine verantwortlich, sagt SRF-Russland-Korrespondent Calum MacKenzie. «Die Leute schweigen dazu – oder machen den Westen für die schlechte Lage verantwortlich.» Ihnen werde schliesslich seit mehr als 25 Jahren vermittelt, dass sie in der Politik nichts zu sagen hätten.

Falls Russland ernsthafte wirtschaftliche Probleme bekommt, ist kaum abschätzbar, was die Elite tun wird.
Autor: Calum MacKenzie Russland-Korrespondent von Radio SRF

Doch es gibt Kritik: «Es gibt Anzeichen dafür, dass die wirtschaftliche Situation für Spannungen in der russischen Elite sorgt», so MacKenzie. So gebe es Kritik an der Zentralbankchefin wegen der hohen Zinsen. «Es ist aber schwer zu sagen, wann das Putin allenfalls gefährlich werden könnte.» Der Kollaps der russischen Wirtschaft sei in den vergangenen drei Jahren immer wieder vorhergesagt worden, aber bisher sei die Lage trotz allem einigermassen stabil. Doch: «Falls Russland ernsthafte wirtschaftliche Probleme bekommt, ist kaum abschätzbar, was die Elite tun wird.»

Die Falken und die Geschäftemacher im Kreml

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Silhouetten von Menschen vor der Basilius-Kathedrale bei Sonnenuntergang.
Legende: Keystone / AP Photo / Pavel Bednyakov

In den russischen Medien gebe es immer mehr Kritik an russischen Geschäftsleuten, die nach einem Ende des Kriegs wieder mit dem Westen geschäften wollen, stellt Korrespondent MacKenzie fest. «Selbst Aussenminister Sergei Lawrow wetterte kürzlich gegen ‹Verräter›, die Russland dem Westen auf dem Silbertablett servieren wollten.» Doch es sei völlig unklar, wer diese «Verräter» seien.

Immerhin würden die Kritik und Lawrows Äusserung zeigen, dass sich die Falken im Kreml, die den Konflikt mit dem Westen um jeden Preis fortführen wollten, gegen jene wehrten, die auch aus geschäftlichen Gründen einen schnellen Frieden wollen. «Doch Putin hört dabei eher auf die Falken – auch er will die Ukraine militärisch unterwerfen», so MacKenzie.

Rendez-vous, 15.5.2025, 12:30 Uhr ; 

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