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Anklageerhebung gegen Trump Das Urteil wird nicht das Entscheidende sein

Entscheidend wird nicht das Urteil sein, das am Ende dieses Prozesses stehen wird. Es reicht, wenn eine Geschworene, wenn ein Geschworener sagt: Ich sehe das Vergehen, aber ich werde nicht den ehemaligen Präsidenten der USA verurteilen. Das kann geschehen und gehört zum US-Rechtssystem mit seinen Geschworenengerichten.

Vertrauen ins US-Rechtssystem wird auf die Probe gestellt

Das Entscheidende an diesem historischen Prozess – und ich verwende das Wort «historisch» nicht leichtfertig – ist, dass er stattfindet, und dass er in aller Öffentlichkeit stattfindet. Wenig hilfreich hierfür war allerdings das Urteil des Richters kurz vor Beginn der Anhörung, dass für die Anklageerhebung wie vor Bundesgerichten auch während Prozessen üblich keine Kameras oder Tonbandgeräte zugelassen sind.

Ex-US-Präsident Donald Trump steht neben einer USA-Flagge an einem Rednerpult.
Legende: Der ehemalige US-Präsident hat sich in New Jersey an seine Fans gewandt. AP Photo/Andrew Harnik

Dieser Prozess stellt eine der bisher grössten Herausforderungen für die Demokratie der USA dar. Am Ende dessen wird entweder eine rechtsbasierte Ordnung bekräftigt worden sein, in welcher auch die Mächtigsten dem Prinzip des Rechts- und der Rechenschaftspflicht unterworfen sind. Oder die USA erleben einen Prozess, nach dem grosse Teile der Bevölkerung überzeugt sein werden, dass das System unwiederbringlich korrumpiert und faul ist.

Trumps Begnadigung als Gretchenfrage im Wahlkampf

Der angeklagte Ex-Präsident und manche seiner republikanischen Parteifreunde bis hin zu innerparteilichen Gegnern versuchen mit ihren Behauptungen, dass dieser Prozess und auch alle anderen laufenden und drohenden Verfahren gegen Trump eine politische «Hexenjagd» seien, letztere Überzeugung zu stärken. Sie machen die Loyalität zu Donald Trump zur Gretchenfrage, welche den kommenden inner-republikanischen Vorwahlkampf dominieren wird.

Kaum eine Kandidatin, kaum ein Kandidat wird sich in den Vorwahl-Fernsehdebatten der Frage entziehen können, ob sie Donald Trump begnadigen würden, falls sie Präsidentin oder Präsident würden und falls Donald Trump verurteilt würde. Viele der Antworten auf diese Frage werden rhetorische Kunstwerke werden.

Trump weiss um die Gefahr des Prozesses

Und natürlich ist dieser juristische Prozess unweigerlich aufs Engste verknüpft mit den politischen Geschehnissen. Denn entweder könnte Donald Trump in zwei Jahren im Gefängnis sitzen, oder er könnte erneut Präsident sein, wie dies die frühere Bundesstrafverfolgerin Ankush Khardori im Magazin «Politico» treffend geschrieben hat. Es sind diese zwei Enden des ganzen Spektrums, die ziemlich gut beschreiben, was in diesem Prozess auf dem Spiel steht.

Der ehemalige Präsident und Angeklagte, Donald Trump, weiss derweil genau, dass die Situation für ihn gefährlich ist. Davon zeugen Dutzende E-Mails und Aufrufe, die er und seine Wahlkampforganisation in den Tagen seit Bekanntwerden der Anklage verschickt haben, und in denen Trump nicht müde wird zu betonen, dass er nach wie vor der unangefochtene Spitzenkandidat der Republikaner sei. Ob das stimmt, werden die in den USA so wichtigen Umfragen erst in etwa zwei Wochen ein wenig verlässlicher belegen können.

Pascal Weber

USA-Korrespondent

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Pascal Weber arbeitet seit 1999 für SRF. Als Redaktor und Produzent war er zunächst in der Sportredaktion tätig, danach bei «10vor10». Von 2010 bis 2021 war er als Korrespondent im Nahen Osten. Er lebte zuerst in Tel Aviv, dann lange Jahre in Kairo und Beirut. Nun arbeitet er für SRF in Washington.

SRF 4 News, 14.06.2023, 05:00 Uhr

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