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Anschläge auf Medienschaffende «Morde an Medienschaffenden dürfen nicht straffrei bleiben»

Der Mordanschlag auf den bekannten niederländischen Investigativ-Journalisten und Kriminalreporter Peter R. de Vries in Amsterdam weckt Erinnerungen an andere Fälle in jüngerer Zeit in Europa. Täter und Drahtzieher müssten rascher vor Gericht gebracht und bestraft werden, fordert Scott Griffen, Vizedirektor am International Press Institute (IPI) in Wien.

Scott Griffen

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Scott Griffen ist Vize-Direktor am International Press Institute IPI in Wien. Das IPI setzt sich weltweit für Pressefreiheit und einen unabhängigen Journalismus ein und erstellt Berichte zur Lage in den verschiedenen Ländern.

SRF News: Hat die Gewalt der organisierten Kriminalität gegenüber Medienschaffenden in Europa zugenommen?

Scott Griffen: Das muss man leider bejahen. Es ist der vierte Fall dieser Schwere seit 2017, als Daphne Caruana Galizia auf Malta 2017 umgebracht wurde. Es folgten die Morde an Jan Kuciak und seiner Verlobten in der Slowakei 2018 und an Giorgos Karaivaz in Griechenland in diesem Frühjahr. Allesamt Angriffe auf die journalistische Gemeinschaft, die Pressefreiheit und natürlich auch auf die Demokratie in den Niederlanden und Europa. Das ist aufs Schärfste zu verurteilen. Die Entwicklung ist besorgniserregend.

Was sind die Gründe dafür?

Ich bin kein Experte, was die organisierte Kriminalität betrifft. Aber wir müssen uns fragen, wie Journalistinnen und Journalisten bestmöglich geschützt werden können. Denn gerade in den Fällen von Malta und der Slowakei waren die Bedrohungen nicht ernst genommen worden und ein ausreichender Schutz vonseiten der Sicherheitsbehörden und der Polizei war ausgeblieben.

Wir müssen uns fragen, wie Journalistinnen und Journalisten bestmöglich geschützt werden können.
Autor:

Ein weiteres grosses Problem ist, dass es etwa seit dem Angriff auf Daphne Caruana Galizia drei Fälle gibt, bei denen die Drahtzieher dieser Morde noch straffrei bleiben und Urteile fehlen. Das sendet leider die Botschaft aus, solche Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten hätten keine Konsequenzen.

Es gibt seit 2017 drei Fälle, bei denen die Drahtzieher dieser Morde noch straffrei bleiben und Urteile fehlen.
Autor:

Steckt hinter der schleppenden juristischen Aufklärung ein Behördenversagen oder Absicht?

Das ist von Fall zu Fall anders. Auf Malta und in der Slowakei gibt es politische Verwicklungen, was die Aufklärung der Fälle verlangsamt. Die Justiz arbeitet auch viel zu langsam. Solche Szenarien kennt man etwa aus Mexiko, Pakistan und aus den Philippinen. Es gibt jetzt aber auch Fälle in Europa, wo auf die Ermordung von Medienschaffenden eine Straffreiheit folgt. Wenn aber Täter und Drahtzieher nicht zügig verurteilt werden, kann die Kette von Gewalt nicht gebrochen werden.

Kann bereits von Straffreiheit gesprochen werden, wenn die Verfahren zum Teil noch laufen?

Die Verfahren laufen. Aber nach unserer Definition kommt eine Straffreiheit bereits nach zwei Jahren. Das Problem, das wir beobachten: Das Momentum geht in diesen Fällen oft verloren nach ein bis zwei Jahren.  Es kommt zu «Frozen Cases» ohne Ergebnis. Das Phänomen ist auf globaler Eben schon länger bekannt. Wenn das jetzt in Europa anfängt, haben wir wirklich ein grosses Problem.

Wird sich mit dem Fall von Peter de Vries die öffentliche Wahrnehmung verändern?

Ja, natürlich. Ich gehe davon aus, dass das Thema der journalistischen Sicherheit jetzt sehr viel Aufmerksamkeit erhält. Aber das sollte eigentlich nicht nötig sein. Der Schutz der Medienschaffenden sollte eine Selbstverständlichkeit sein, wenn man an deren Rolle für die Demokratie denkt. Gerade in den Niederlanden erwarten wir jetzt eine zügige Aufklärung. Wenn das dort nicht klappt, heisst das nichts Gutes für andere Länder mit schwächer ausgeprägter Rechtsstaatlichkeit.    

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 07.07.2021, 18:00 Uhr ; 

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