Beim blutigsten Anschlag seit 2015 im westafrikanischen Burkina Faso am Wochenende sind 160 Menschen in einem Dorf in der Grenzregion zu Niger massakriert worden. Die Regierung beschuldigt Terroristen.
Tatsächlich sei es am wahrscheinlichsten, dass die Täter zu einer der beiden Terrorgruppen in der Region gehörten, erklärt Bettina Rühl, Journalistin in Nairobi.
Die eine ist ein Ableger des «Islamischen Staates» (IS), die andere eine Koalition von Gruppen aus dem Al-Kaida-Netzwerk. Von einer Vergeltungsaktion geht auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch aus, die zurzeit in der Region Menschen befragt.
Die Selbstverteidigungsmilizen
Laut Rühl kommt es immer wieder vor, dass sich islamistische Gruppen an der Bevölkerung dafür rächen, dass Dörfer Selbstverteidigungsmilizen gründen.
Solche Milizen propagiert der überforderte Staat ausdrücklich, weil er die Sicherheit nicht überall garantieren kann. Allerdings beförderten die Bürgerwehren die Gewaltspirale zusätzlich, so die Journalistin.
Die Selbstverteidigungsmilizen befördern die Gewaltspirale.
Laut Rühl nützen die islamistischen Gruppen die Spannungen sehr geschickt für sich aus.
Dazu gehört der Konflikt zwischen den halbnomadischen Viehhaltern und den sesshaften Bauern: Erstere ziehen mit ihren Herden Regen und Weideland hinterher, doch auf vielen traditionellen Wanderwegen sind mittlerweile Felder angelegt, die immer häufiger niedergetrampelt werden. «Nicht selten wird versucht, solche Konflikte mithilfe von islamistischen Gruppen zu lösen», sagt Rühl.
Kampf um knapper werdende Ressourcen
Für das Gewaltproblem mitverantwortlich ist der Umstand, dass die Sahelzone sehr stark vom Klimawandel betroffen ist. Zusammen mit dem grossen Bevölkerungswachstum werden die Ressourcen Weideland, Ackerland und Wasser immer knapper.
Aber auch die staatlichen Sicherheitskräfte üben Gewalt gegen die Bevölkerung aus, wie Rühl sagt: Die Regierung ist zunehmend selbst übergriffig.
Sie unterstellt den Leuten Mitgliedschaft in terroristischen Gruppen. Sie tötet gemäss dokumentierten Aussagen von Menschenrechtsgruppen Verdächtige – ohne viel zu fragen, ohne Strafprozesse und ohne Gefangene zu machen.
Die Regierung ist zunehmend selbst übergriffig und tötet mutmassliche Terroristen ohne Strafprozesse.
Kampf gegen Terrorismus
Seit 2015 starben in Burkina Faso 1400 Menschen bei Anschlägen. Die Regierung setzt vor allem auf militärische Lösungen. Sie kooperiert mit Frankreich, das in der ganzen Region im Kampf gegen den Terrorismus militärisch präsent ist.
Burkina Faso hat sich zudem mit anderen Nachbarstaaten der Sahelregion wie Niger und Mali zusammengeschlossen. Die beiden Staaten haben eine eigene militärische Einheit aufgestellt und Burkina Faso ermutigt, die Bevölkerung Selbstverteidigungsmilizen bilden zu lassen.
Militärische Lösung ohne Zukunft
Um die Gewalt einzudämmen, müsste der Staat laut Rühl seiner primären Aufgaben wieder nachkommen, Leben und Besitz zu schützen. Nur so könne die Loyalität der Bevölkerung wieder eingefordert werden. Auch dürften Übergriffe des Militärs nicht mehr straflos bleiben.
Weitere Punkte wären der bessere Umgang mit den knapper werdenden Ressourcen und der Versuch, zwischen den Volksgruppen zu schlichten. «Dazu müsste aber zuerst die Einsicht einkehren, dass die militärische Lösung nirgendwo hinführt», sagt Rühl.