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Antisemitismus in Deutschland Bayerns Wirtschaftsminister bringt Koalition ins Schwitzen

Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger steht wenige Wochen vor den Landtagswahlen wegen eines antisemitischen Flugblatts unter Druck. Das Flugblatt wurde in den 1980er-Jahren im Schulthek des Gymnasiasten gefunden. Der 52-jährige Vorsitzende der Freien Wähler hat sich entschuldigt und die Autorenschaft dem Bruder zugewiesen. Für die Regierungskoalition mit der CSU könnte das Pamphlet ernsthafte Folgen haben, wie Politologin Ursula Münch von der Universität der Bundeswehr in München sagt.

Ursula Münch

Politikwissenschaftlerin

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Ursula Münch ist Professorin für Politikwissenschaft an der Univerität der Bundeswehr in München, sowie seit 2011 Direktorin der Akademie für Politische Bildung im bayrischen Tutzing.

SRF News: Was dachten Sie, als Sie von den Vorwürfen gegen Aiwanger hörten?

Ursula Münch: Das bestürzt einen, aber man ist auch hin- und hergerissen. Auch ich gehörte zu jenen, welche die Berichte der «Süddeutschen Zeitung» anfänglich als lückenhaft und voll von Mutmassungen taxierten. Inzwischen sind einige Zeugen namentlich bekannt. Wie Minister Aiwanger darauf reagiert hat, war ebenfalls fehlerhaft: Zuerst stritt er alles ab, dann gab er scheibchenweise gewisse Verfehlungen in der Jugend zu.

Aiwanger sieht sich als Opfer einer politischen Kampagne. Wie ist sein jüngster Auftritt zu beurteilen?

Die Entschuldigung an die Opfer des Nationalsozialismus finde ich gut, wenn auch etwas spät. Er gab zu, dass dieses unsägliche Flugblatt in seiner Schultasche steckte. Bei weiteren Vorwürfen beruft er sich auf Erinnerungslücken. Problematisch mutet an, dass er dann postwendend von einer politischen Kampagne sprach. Klar ist es auch eine politische Kampagne, die den Oppositionsparteien gelegen kommt. Es profitieren aber eigentlich nur die Freien Wähler, die Aiwanger für dessen Appelle, die Demokratie zurückzuholen, lobten. Sie stehen weiterhin zu ihm.

Hubert Aiwanger
Legende: Hubert Aiwanger von den Freien Wählern an einer Festrede im Festzelt Aschauer Markt in Aschau im Chiemgau am 31. August 2023. imago images/Smith

Warum könnte die «Causa Aiwanger» den Freien Wählern mehr nützen als schaden?

Wegen des Solidarisierungseffekts. In Deutschland herrscht in einem Teil der Bevölkerung ein relativ grosses Misstrauen gegenüber den seriösen Tageszeitungen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Diese Skeptiker bilden durchaus das politische Lager. Sie finden gut, wenn Aiwanger einmal so richtig und in nicht gerade jugendfreier Sprache gegen die Bundesregierung in Berlin hetzt. Das könnte den Freien Wählern bei den Landtagswahlen im Oktober nützen.

Da sich Aiwanger relativ stark auf Erinnerungslücken beruft, dürfte das Problem für Söder bestehen bleiben.

Wie ist die Taktik von Ministerpräsident Markus Söder vom Koalitionspartner CSU zu beurteilen? Er spricht von «geradezu ekligen Vorwürfen», entlässt Aiwanger aber nicht und fordert Antworten.

Es war wohl ganz klug von Söder, einen Fragenkatalog an Aiwanger zu schicken. Denn die CSU will sich absichern und deutlich machen, dass man die Vorwürfe nicht verharmlost. Söder berücksichtigt zugleich, dass für Aiwanger immer noch die Unschuldsvermutung gilt. Demnächst werden die Antworten Aiwangers auf die 25 Fragen eintreffen. Da sich Aiwanger relativ stark auf Erinnerungslücken beruft, dürfte das Problem für Söder bestehen bleiben.

Warum ist die Koalition mit den Freien Wählern für Söder so wichtig?

Bayern hat als einzige der 16 Landesregierungen Deutschlands keinen Partner aus der Bundesregierung drin. Gerade in Wahlkampfzeiten kann sich so die CSU herrlich an der Ampelregierung abarbeiten. Und immer wieder darauf verweisen, dass Bayern die einzige «bürgerliche Regierung» Deutschlands habe. Söder verdankt das der Koalition mit den Freien Wählern. Ohne sie müsste er auf eine Oppositionspartei zurückgreifen. Das will er nicht.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Rendez-vous, 01.09.2023, 12:30 Uhr ; 

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