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Archäologische Sensation Forscher finden die älteste Seeufersiedlung Europas in Albanien

Im Ohridsee in Albanien haben Angehörige der Universität Bern eine knapp 8000 Jahre alte Pfahlbausiedlung gefunden.

Der Ohridsee ist der älteste See Europas. Hier liegen die Anfänge von Ackerbau und Viehzucht in dieser Region und damit die Bedingung für «den grossen Kulturwandel in Europa», wie es Albert Hafner, Professor für prähistorische Archäologie der Universität Bern, ausdrückt.

Taucher und ein Boor an der Fundstelle im Ohridsee
Legende: Die Fundstelle im Ohridsee. SRF

Sein Team hat in den letzten zwei Jahren im Ohridsee in Albanien Baumstämme einer prähistorischen Pfahlbausiedlung ausgegraben und ihr Alter bestimmt. Das Ergebnis: Die Hölzer stammen aus der Zeit von 5800 bis 5900 vor Christus. Das bedeutet, sie sind fast 8000 Jahre alt, also rund 2000 Jahre älter als die ältesten Pfahlbauten in der Schweiz. Es ist eine kleine archäologische Sensation. «Damit ist diese Fundstelle nicht nur wichtig für diese Region, sondern für ganz Südosteuropa», sagt Albert Hafner.

Die Fundstelle ist sehr gross. Es handelt sich um mehrere prähistorische Pfahlbaudörfer, 1000 Jahre Siedlungsgeschichte auf einem Fleck. Für die Forschenden ein Glücksfall.

Gefunden wurden die Pfahlbauten von Einheimischen. «Anfang der 1970er Jahre sank der Wasserstand im Ohridsee stark ab, und das machte diese Fundstelle unter Wasser sichtbar», erzählt Adrian Anastasi vom albanischen Institut für Archäologie in Tirana. Weil er wusste, dass es in der Schweiz rund 500 gut erforschte Fundstellen von Pfahlbauten gibt, setzte er sich für die Zusammenarbeit mit der Universität Bern ein.

Die Unterwasserausgrabungen sind anspruchsvoll. «Wir haben es hier mit sehr viel Ufervegetation zu tun. Man muss sich bis zum Tauchort durch dichte Schilfbestände durchkämpfen», sagt die Archäologin und Forschungstaucherin Marie-Claire Ries, die vor Ort die Taucheinsätze koordiniert. Weil beim Graben unter Wasser das Sediment aufgewirbelt wird und so die Sicht raubt, muss mit Rohren und Druckluft eine künstliche Unterwasserströmung erzeugt werden.

Das Alter auf das Jahr genau bestimmen

Die neue Gewissheit, dass die Siedlungen fast 8000 Jahre alt sind, reicht den Forschenden indes nicht. «Das sind Radiokarbondaten. Die sind ungenau. Wir wollen mit Dendrochronologie, also mithilfe der Jahrringe von Bäumen das Alter auf die Dekade oder gar auf das Jahr genau bestimmen», sagt Albert Hafner.

Ziel der Forschung am Ohridsee sei es letztlich herauszufinden, wann und wie Ackerbau und Viehhaltung in der Region entstanden. Und wie sie von Südeuropa aus in die Schweiz gelangten.

Das Explo-Projekt

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Das interdisziplinäre Forschungsprojekt Explo (kurz für: «Exploring the dynamics and causes of prehistoric land use change in the cradle of European farming») wird vom Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördert und wurde 2018 mit einem begehrten Synergy Grant in Höhe von 6.4 Millionen Euro   ausgezeichnet. Im Zentrum des Projekts stehen die Beziehungen Mensch-Umwelt zu den Anfängen der Landwirtschaft in Südosteuropa. Sie werden ausgehend von Feuchtbodenfundstellen untersucht. Das Projekt wird über eine Laufzeit von fünf Jahren von 2019 bis 2024 durchgeführt. Beteiligt sind die Universitäten Bern (Prof. Dr. Albert Hafner, Institut für Archäologische Wissenschaften; Prof. Dr. Willy Tinner, Institut für Pflanzenwissenschaften), Oxford (Prof. Dr. Amy Bogaard, School of Archaeology) und Thessaloniki (Prof. Dr. Kostas Kotsakis, School of History and Archaeology).

Quelle: Webseite Explo

Tagesschau, 30.07.2023, 19:30 Uhr

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