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Argentinien vor Richtungswahl Zwischenwahl wird zum Test für Javier Milei

Die Zwischenwahlen am Sonntag in Argentinien sind ein wichtiger Stimmungstest für Präsident Javier Milei. Was eigentlich ein ganz normaler Vorgang in vielen Demokratien ist – eine Abstimmung über einen Teil der Parlamentssitze zur Halbzeit der Legislaturperiode – ist in Argentinien zum Referendum über Mileis Sparpolitik geworden.

Karen Naundorf

Südamerika-Korrespondentin

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Karen Naundorf ist SRF-Korrespondentin in Südamerika, Standort Buenos Aires. Sie hat in Berlin und Barcelona Kommunikation studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg absolviert und ist Fellow des Pulitzer Center on Crisis Reporting.

Was steht bei diesen Wahlen auf dem Spiel?

Sehr viel mehr als «nur» die Mehrheitsverhältnisse in Senat und Abgeordnetenhaus. Was woanders eine normale Halbzeitwahl wäre, ist in Argentinien zu einem Referendum über Mileis radikalen Sparkurs geworden. Und es geht auch um Finanzhilfen aus den USA. Argentinien steckt in einer Wirtschaftskrise und hat kaum noch Devisenreserven. US-Präsident Trump hat künftige Hilfen von einem Wahlsieg Mileis abhängig gemacht und sagte wörtlich: «Wenn Milei gewinnt, unterstützen wir ihn, wenn er verliert, sind wir weg.»

Wie stark ist Javier Milei noch?

Bei seinem Wahlsieg 2023 kam Javier Milei auf 56 Prozent der Stimmen. Nun liegt seine Partei laut Umfragen bei 35 bis 40 Prozent – in etwa gleichauf mit der Opposition. Seine Partei La Libertad Avanza hat keine Mehrheit im Parlament. Mileis Hoffnung ist, bei diesen Wahlen seine Machtbasis auszubauen, um mehr Handlungsspielraum zu gewinnen. Doch jetzt muss er um den Wahlsieg bangen.

Javier Milei am Rednerpult vor einem violetten Parteiloge im Hintergrund und jubelnden Parteianhängern.
Legende: Der argentinische Präsident Javier Milei verteidigt seine politische Reformagenda während einer Rede an einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei La Libertad Avanza in Rosario, Santa Fe. (23.10.2025) REUTERS / Cristina Sille

Warum wenden sich viele ab?

Milei hatte versprochen, den «parasitischen Staat» zu zerstören und mit der «alten Politik» zu brechen. Heute regieren mit ihm ehemalige Minister früherer Regierungen. Dazu kamen mehrere Skandale, darunter Korruptionsvorwürfe gegen seine Schwester Karina und mögliche Narco-Verbindungen eines wichtigen Verbündeten. Einem Kandidaten von Mileis Partei wurde nachgewiesen, 200’000 Dollar von einem in den USA aufgrund von Kartellverbindungen gesuchten Geschäftsmann erhalten zu haben. Milei sagte zunächst, das sei doch nur «Coiffeur-Gequatsche». Inzwischen gab der Kandidat die Zahlungen zu und trat zurück. Und schliesslich flog ein von Milei auf der Plattform X beworbenes Krypto-Projekt als Schwindel auf.

Peso wird künstlich stabil gehalten

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Um den Wechselkurs des argentinischen Pesos stabil zu halten und vor einer Abwertung zu bewahren, hat die Regierung massiv Devisenreserven eingesetzt. Allein im September verbrauchte sie innert weniger Tage über 1.5 Milliarden Dollar zur Stützung des Pesos. Das Länderrisiko lag im September kurzfristig bei 1500 Basispunkten – das war der höchste Stand seit 2024.

Droht ohne frisches Geld aus dem Ausland ein neuer Staatsbankrott?

Es ist ein Gespenst, das Milei in den letzten Wochen verfolgt hat, das aber nun dank US-Hilfen in Form einer 20-Milliarden-Dollar-Swap-Linie vorerst abgewendet ist. Auch hatte Argentinien zuvor erneut Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) erhalten. Javier Mileis Regierung lebt politisch von der Hoffnung auf Stabilisierung – und finanziell von externer Hilfe. Sollte Milei am Sonntag verlieren, muss er mit Teilen der Opposition koalieren. Dann wäre seine Schocktherapie gebremst – und Argentinien stünde womöglich erneut zwischen Reformversuch und Absturz.

Viele seiner Anhänger haben Geld verloren, weil sie auf seine Empfehlung vertrauten. Dieser Skandal ist zwar schon ein paar Monate her, aber noch nicht vom Tisch. Er wird auch noch US-Gerichte beschäftigen.

Wie steht es wirtschaftlich um Argentinien?

Milei hat die Inflation von über 200 Prozent auf rund 40 Prozent drücken können, das hat ein Stück weit Ruhe gebracht. Doch der Preis dafür ist ein Abkühlen der Wirtschaft: Die Industrieproduktion schrumpfte zuletzt im August um 4.4 Prozent, rund 20’000 kleine und mittlere Unternehmen sind gemäss Zahlen des KMU-Verbandes seit seinem Amtsantritt Pleite gegangen. Die Preise insbesondere für Nahrungsmittel sind hoch, und das bei oft geringen Gehältern. Mehr als die Hälfte der Haushalte schafft es laut Umfragen kaum bis zum Monatsende. Viele Argentinier und Argentinierinnen fühlen sich von der «Kettensägenpolitik» getroffen, durch Hungerrenten oder auch einen Stopp von öffentlichen Bau- oder Sozialprojekten.

10 vor 10, 21.10.2025, 21:50 Uhr ; 

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