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Atomstreit mit Iran Teheran macht einen Schritt – und lässt mehr Kontrollen zu

Ob sich Iran an die Vereinbarung hält, muss sich noch zeigen. Über die Gründe für die Zusammenarbeit wird spekuliert.

Seit vielen Monaten gab es rund um das iranische Atomprogramm nur Treten an Ort. Endlos und ergebnislos wurde verhandelt über die Rettung des historischen Atomabkommens von 2015. Gleichzeitig dürfte Teheran bald imstande sein, Atombomben zu bauen.

Irritiert fielen daher die Reaktionen aus, als die UNO-Atombehörde IAEA herausfand, dass das Regime bereits über auf fast 84 Prozent angereichertes Uran verfügt. Das reicht beinahe für die Herstellung nuklearer Gefechtsköpfe.

Allerdings gab nun Rafael Grossi, der Generaldirektor der IAEA, am Rande der Gouverneursratssitzung seiner Behörde eine Teilentwarnung. «Bei der Urananreicherung kommt es zu Schwankungen. Möglicherweise hat Iran weder absichtlich noch in grossem Umfang spaltbares Material derart hoch angereichert», sagte Grossi. Das wolle die IAEA nun abklären.

Teheran erlaubt mehr Kontrollen der IAEA

Dazu könnte die UNO-Behörde künftig wieder in der Lage sein. Denn Iran will wieder verstärkt mit der IAEA zusammenarbeiten. Eine entsprechende Vereinbarung brachte Grossi am Wochenende aus Teheran zurück – «nach einer sehr langen Phase der Frustration», wie Grossi jetzt sagte.

Es gibt noch viel zu tun!
Autor: Rafael Grossi Generaldirektor der Internationalen Atombehörde

Der UNO-Chefbeamte spricht von Schritten in die richtige Richtung. «Aber es gibt noch viel zu tun!» Positiv wertet Grossi, dass er in der iranischen Hauptstadt von Präsident Ebrahim Raisi empfangen wurde, der bisher keinerlei Interesse an Zusammenarbeit und Entspannung gezeigt hatte.

Doch jetzt sieht Grossi konkrete Verbesserungen. Dazu gehören die Wiederinbetriebnahme von Überwachungsgeräten der IAEA in iranischen Atomanlagen und von häufigeren Inspektionen, die nun praktisch jeden zweiten Tag erfolgen sollen.

Sie sollen auch in der unterirdischen Atomanlage von Fordo durchgeführt werden. Von dort stammt das hoch angereicherte Uran.

Wieso der Sinneswandel in Teheran?

Was verbirgt sich hinter der Einigung? Will Teheran tatsächlich eine Entspannung im Atomstreit, gar zurückkehren zum Atomabkommen? Oder bloss Zeit schinden und den vor allem westlichen Druck verringern? Oder fürchtet man einen israelischen Angriff auf iranische Nuklearanlagen, einen Angriff, mit dem der wieder amtierende israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu unverhohlen droht?

Über Irans Gründe will IAEA-Chef Grossi nicht spekulieren. Er ist aber erleichtert, dass der Informationsfluss nun rasch wieder besser wird, falls sich Teheran an die jüngste Vereinbarung hält. Mehr Transparenz bedeutet potenziell auch mehr Vertrauen.

Grossi ruft daher auch auf zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts: «Jeder militärische Angriff auf eine Atomanlage ist völkerrechtlich illegal», betont er. Das sieht Israels Ministerpräsident freilich anders. Für ihn wäre eine solche prophylaktische Attacke ein Akt der Selbstverteidigung.

Teheran muss erst noch beweisen, ob tatsächlich ein Umdenken eingesetzt hat. Seine Machthaber sandten seit langem keine Signale mehr aus, dass sie wieder mit der Staatengemeinschaft kooperieren und einen moderateren Kurs steuern wollen.

Echo der Zeit, 6.3.2023, 18:00 Uhr

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