Wir sind in Neapel, in einer Bar mitten im quirligen Stadtzentrum: «1.20 Euro, 1.30 Euro, dann aber reichts. Mehr sollte ein Espresso nicht kosten», sagen zwei Frauen mittleren Alters, die ihren Kaffee am Buffet, also stehend, geniessen.
Was aber wäre, wenn eine Tasse bald einmal 2 Euro kosten würde? Diese Zahl sorgt einen kurzen Augenblick lang für Fassungslosigkeit. Dann aber kommt die Antwort: «Ich bin verrückt nach Kaffee. Nehmt mir das Essen, aber bitte nicht den Kaffee.»
Im Sitzen ist es teurer
Ein paar Schritte weiter im «Gambrinus», in einem der traditionsreichsten Kaffeehäuser Neapels. Inhaber Arturo Sergio trägt einen blauen Anzug und eine Krawatte mit dickem Knopf. Er sagt: «Kaffee war früher viel billiger. Ein Espresso im Stehen kostete bis vor wenigen Jahren weniger als 1 Euro.»
Heute zahlt man in Sergios Kaffeehaus 1.80 Euro. Und wer seinen Espresso bequem im Sitzen trinkt, legt dafür gar 5 Euro auf den Tisch. Das liegt hier im Gran Caffè auch am Ambiente, an den Kellnern im weissen Frack mit schwarzer Fliege oder am schwülstigen Stuck an den Wänden, der ein bisschen aussieht wie mit dem Dressiersack gespritzter Schlagrahm.
Viele Gründe für Preisanstieg
Warum wird Kaffee immer teurer? Amedeo Lepore ist Ökonomieprofessor an der renommierten Römer Universität Luiss und beschäftigt sich seit langem mit Kaffee. Es gebe viele Gründe für den Preisanstieg, der wichtigste aber sei der Klimawandel: «Die meteorologischen Verhältnisse in gewissen Ländern sind widrig.
Konkret: In Vietnam war es zu heiss und zu trocken. Und in Brasilien, dem Land, das am meisten Kaffee produziert, litt man unter einer Mischung aus Trockenheit und Frost.»
Die Ernten und die Vorräte sind kleiner. Gleichzeitig aber wächst die Nachfrage, weil sich der Konsum verändert. In Ländern, in denen man früher vor allem Tee trank, greift man heute vermehrt zum Kaffee: «In Indien, im Nahen Osten und in China steigt die Nachfrage nach Kaffee, was den Preis mit nach oben treibt.»
Auch Zölle tragen dazu bei, speziell jene, die US-Präsident Trump Brasilien auferlegte. Oder neue Vorschriften, die verhindern sollen, dass man Wald rodet, um Kaffee anzupflanzen. «Den Regenwald zu schützen, ist sinnvoll. Aber das hat seinen Preis», sagt Amedeo Lepore.
In der Schweiz viel teurer
In der Schweiz, in Grossbritannien oder in den USA kostet ein Kaffee oder ein Cappuccino schon heute über 4 und mancherorts bis zu 8 Franken. In Italien ist der Kaffee noch immer vergleichsweise günstig. Doch zahlt man auch hier bald einmal 2 Euro für einen Caffè im Stehen?
Kaffee ist Vitalität, Energie, Sorglosigkeit.
Man müsse verhindern, dass Kaffee ein Luxusartikel werde, sagt Lepore. Denn in Italien sei der Kaffee ein Getränk für alle. Das müsse so bleiben. Gemäss einer eben erst publizierten Umfrage des Branchenverbands Unione Italiana Food trinken 71 Prozent aller Italienerinnen und Italiener täglich Kaffee – wobei Frauen dies leicht öfter tun als Männer.
«Kaffee ist Vitalität, Energie, Sorglosigkeit», sagt eine Dame am Tresen einer Bar und eine andere bringt sämtliche Aussagen und Klischees treffend auf den Punkt: «Kaffee ist alles, zumindest hier in Neapel.»