Der bekanntere der beiden Kandidaten für das Amt des neuen Vorsitzenden der italienischen Sozialdemokraten ist Nicola Zingaretti. Er wurde schon zweimal zum Präsidenten des Lazio, der Region um Rom, gewählt. Zingaretti ist 53-jährig und somit alt genug, um noch dem alten Partito Comunista angehört zu haben. Er war einst der Jugendorganisation der Kommunisten beigetreten.
Verarmte Mittelschicht vergessen
Zingaretti stiess also von links her zum Partito Democratico, der nach seiner Gründung 2007 ehemalige Kommunisten und progressive Christdemokraten vereinigte. Gemäss Zingaretti hat seine Partei bei den letzten Wahlen deshalb so massiv verloren, weil sie das grösste Problem Italiens nicht erkannt habe: «Wir haben das soziale Drama von Millionen Italienerinnen und Italienern weder gesehen noch verstanden.» Zingaretti meint damit etwa die zunehmende Verarmung auch der Mittelschicht.
Die Sozialdemokraten hätten also in ihrer eigentlichen Kernkompetenz, der Sozialpolitik, versagt. Das ist eine deutliche Kritik an Ex-Premier Matteo Renzi, der zum Beispiel das Arbeitsrecht liberalisierte oder den Partito Democratico bis weit in die politische Mitte führen wollte.
Zingaretti verspricht anderes.
Er will eine breite Linksallianz, die die progressive Mitte aber auch ehemalige Kommunisten umfasst: «Es hat Platz für alle. Für Renzi – also für die Mitte –, aber auch für ehemalige Kommunisten wie etwa Pier Luigi Bersani», so Zingaretti. Der ehemalige Parteichef gehört dem Partito Democratico allerdings gar nicht mehr an, er ist enttäuscht ausgetreten. Jetzt trauen es viele Zingaretti tatsächlich zu, ein neues, breites Linksbündnis zu schmieden.
In der Sozialpolitik versagt
Auf einen solchen Effekt kann sein schärfster Rivale nicht zählen. Maurizio Martina ist rund zehn Jahre jünger als Zingaretti, war nie in der kommunistischen Partei, dafür war er unter Matteo Renzi Landwirtschaftsminister. Als Renzis Kandidat will sich Martina dennoch nicht abstempeln lassen, zumal er inhaltlich nah bei Zingaretti steht.
Auch Martina sagt, der Partito Democratico habe vor allem in der Sozialpolitik versagt: «Wir hätten radikaler sein müssen, zum Beispiel hätten wir die Sozialhilfe erhöhen oder einen Mindestlohn einführen sollen.»
Martina wie Zingaretti würden den Partito Democratico nicht radikal, aber doch merklich nach links führen. Und während Ex-Parteichef und Premier Matteo Renzi oft als eitler Einzelkämpfer auftrat, arbeiten beiden Kandidaten gern im Team.
Verlorenes Terrain zurückgewinnen
Wer die Wahl vom Sonntag unter Mitgliedern und Sympathisanten gewinnt, wird den Partito Democratico teilweise neu aufbauen müssen, denn unter Renzi verlor er Mitglieder und Sektionen. Vor allem im Süden Italiens liefen linke Wählerinnen und Wähler scharenweise zu den Cinque Stelle über, die mit ihrem Versprechen auf ein bedingungsloses Grundeinkommen einen Wahlschlager lanciert hatten.
Ihr Ziel sei es, diese Leute zurückzuholen, sagen Zingaretti und Martina. Tatsächlich zeigten unlängst die Regionalwahlen in den Abruzzen und auf Sardinien, dass das Movimento Cinque Stelle deutlich verliert. Viele enttäuschte Cinque-Stelle-Wähler blieben aber schlicht zuhause, bisher gelang es dem Partito Democratico kaum, verlorenes Terrain zurückzugewinnen.