Diverse, schmerzliche Niederlagen an den Urnen haben Matteo Renzis politische Karriere abrupt geknickt. Doch dieser Tage meldete er sich mit einem Buch zurück. Bei der Präsentation sprach der Mitte-links-Politiker auch über eigene Fehler, vor allem aber über die aktuelle Regierung aus Lega und Cinque Stelle. Sein Urteil fiel, wie zu erwarten, überaus harsch aus.
Renzi ist ein begnadeter Redner, aber auch einer, der sehr von sich selbst überzeugt ist. Das zeigt sich, wenn er erklärt, warum er vom Populismus rein gar nichts hält. Seine Abneigung erklärt er anhand einer Reise. Luigi Di Maio, Chef der populistischen Cinque Stelle und Vize-Premier, flog unlängst von Rom nach China.
Vor dem Start verkündete er stolz, er fliege Economy, um Steuergelder zu sparen: «Nachdem Di Maio in Schanghai gelandet war, irrte er sich zweimal beim Namen von Chinas Präsidenten, er nannte ihn fälschlicherweise Ping.» Renzi erzählts süffisant und rät Di Maio, lieber Business zu fliegen und den Komfort zu nutzen, um sich anständig vorzubereiten. Mit anderen Worten: Populismus, das sei viel Effekt und wenig Kompetenz.
Ätzende Kritik
Allerdings muss sich auch Renzi den Vorwurf gefallen lassen, als Premier nicht durchwegs in allen Dossiers sattelfest gewesen zu sein, etwa als er stolz behauptete, der Gotthard-Basistunnel sei ein italienisches Projekt.
Auf solches kommt Renzi aber nicht zu sprechen, sondern fährt fort mit seiner Kritik an Lega und Fünf Sternen. Ein halbes Jahr seien sie an der Macht und hätten Italiens Wirtschaft bereits zurück in die Rezession geführt.
Wenn Leute mitten im Meer treiben, dann muss man sie retten und an Land bringen. Ohne Wenn und Aber.
Dass die Populisten deswegen bald ihre Mehrheit verlieren, glaubt Renzi nicht: «In Italien wird es nicht so schnell Neuwahlen geben», prophezeit er. Denn italienische Parlamentarier klebten an ihren Sesseln, weil sie fürstlich entlöhnt würden. Darum werden sie viel dafür tun, ihren Sitz zu halten und eine vorzeitige Wahl zu verhindern.
Viel Eigenlob
Auch diese Kritik ätzt. Wie aber hält es Renzi mit Selbstkritik? Immerhin erstarkten die Populisten in genau jenen Jahren, in denen er Italien regierte. Hat er deren Aufstieg gar mit begünstigt, weil er zu wenig gegen die zunehmende Armut tat?
«Ich lehne jede Verantwortung dafür ab», sagt Renzi. Denn unter seiner Regierung seien in Italien über eine Million neue Arbeitsplätze entstanden. Effizienter könne man Armut nicht bekämpfen. Wobei Kritiker freilich einwenden, viele dieser neuen Stellen seien prekär und schlecht bezahlt.
Renzi aber blickt zurück voller Stolz. Vor allem auf seine Migrationspolitik. Als Premier habe er hunderttausende Hilfesuchende aufgenommen und er bereue es nicht: «Wenn Leute mitten im Meer treiben, dann muss man sie retten und an Land bringen. Ohne Wenn und Aber.»
Die Realität wird den Populismus besiegen.
Eine Kritik an Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini, der auch minderjährige Asylsuchende tagelang auf Rettungsschiffen ausharren lässt. Das sei, wiederholt Renzi, populistische Effekthascherei. Salvini fasse das Problem nicht an der Wurzel. Genau daran würden die Populisten dereinst scheitern, wenn ihre Inkompetenz auf die Realität pralle: «Die Realität wird den Populismus besiegen.»
Die Rezession zum Beispiel, in der Italien stecke. Das heisst aber auch: es sind nicht die politischen Gegner, die Lega und Fünf Sterne bezwingen. Seiner eigenen Partei, dem sozialdemokratischen Partito Democratico, traut Renzi das explizit nicht zu und auch er selbst liefert dafür wenig Konkretes.