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Aufstand in Russland Experte: «Die kurze Meuterei wird wohl niedergeschlagen werden»

Die Wagner-Truppen und ihr Chef, Jewgeni Prigoschin, haben während des Ukraine-Kriegs immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Mit ihrem brutalen Vorgehen im Kampf haben sie auch einige militärische Erfolge für Russland erzielen können. Nun richten sie sich aber gegen innen, gegen die russischen Streitkräfte und gegen das System von Präsident Putin. Der Sicherheitsexperte Wolfgang Richter vom Geneva Center for Security Policy schätzt die Lage ein.

Wolfgang Richter

Sicherheitsexperte

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Wolfgang Richter ist Sicherheitsexperte beim Geneva Center for Security Policy . Davor war er Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Er ist ehemaliger Oberst der deutschen Bundeswehr und war langjähriger Vertreter Deutschlands bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und bei der UNO.

SRF News: Wie stark sind die Wagner-Truppen militärisch einzuschätzen?

Wolfgang Richter: Die Wagner-Truppen gibt es seit 2014. Sie sind erst als leichte Infanterie aufgebaut worden, als verdeckt kämpfende Truppe. Sie waren viel im Einsatz und entsprechend sind sie in der Zwischenzeit gewachsen. Man schätzt im Moment, dass die Wagner-Truppen eine Stärke zwischen 30'000 und 40'000 Mann haben kann.

Und wie sind die ausgerüstet?

Sie ähneln einem Schützenverband, der ja nicht nur mit Infanterie, sondern auch mit schwereren Waffen ausgestattet ist; insbesondere mit gepanzerten Fahrzeugen, Schützenpanzern und einigen Kampfpanzern. Sie sind so ausgerüstet, dass sie im Ortskampf sehr stark sein können. Das hat sich etwa in Bachmut gezeigt.

Im Moment sieht es eher danach aus, dass das eine kurze Meuterei wird und sie niedergeschlagen wird.

                

Worauf haben es diese Truppen, respektive deren Führung, abgesehen?

Es gibt zwei Szenarien. Das eine ist: Prigoschin entpuppt sich als Hasardeur, als Abenteurer, der sein Glück versucht. Dann wird er untergehen. Und das wird auch nicht allzu lange dauern. Oder er spekuliert darauf, dass er in der Führungselite und vielleicht im Militär Mitläufer oder Unterstützer hat, die sich bisher noch nicht aus der Deckung gewagt haben. Wenn das der Fall sein sollte, dann steht nicht nur eine militärische Meuterei bevor, sondern dann könnte es sich zu einem Bürgerkrieg innerhalb des Militärs entwickeln. Ich gehe aber nicht von diesem Szenario aus. Im Moment sieht es eher danach aus, dass das eine kurze Meuterei wird und sie niedergeschlagen wird.

Was wäre denn das Ziel der russischen Führung beim Niederschlagen des Aufstands?

Es wird zunächst darum gehen, an die Loyalität der Angehörigen der Wagner-Truppen gegenüber dem russischen Staat zu appellieren und so möglichst viele Soldaten dazu zu bringen, Prigoschin nicht weiter zu folgen. Und dann kann es gar keine andere Lösung geben, als Prigoschin vor Gericht zu stellen und sehr schwer zu bestrafen, falls er nicht im Kampf umkommt.

Im Moment hat dieser Aufstand direkt keine Auswirkungen auf den Fortgang der Kämpfe in der Ukraine.

Was heisst das nun für den Krieg in der Ukraine, wenn diese Soldaten in Russland unterwegs sind?

De Wagner Söldner sind, soweit mir bekannt ist, abgezogen worden aus der Ukraine, und durch Landstreitkräfte abgelöst worden. Im Moment hat dieser Aufstand direkt also keine Auswirkungen auf den Fortgang der Kämpfe. Die Frage stellt sich natürlich: Kann man jetzt Truppen aus der Ukraine entziehen, um Wagner zu bekämpfen? Da ist die Antwort ziemlich klar: Nein, denn der Kampf in der Ukraine geht weiter, es gibt dort also keine Änderung der militärischen Lage.

Wenn sich die eigenen Kampfgefährten jetzt nach innen wenden, ist das für die russischen Truppen doch ein herber Dämpfer?

Es kommen natürlich Zweifel auf am System selber und an der Fähigkeit, dieses System in der Balance zu halten und zu kontrollieren. Prigoschin sagte zwar immer, er kämpfe nicht gegen Putin, sondern nur gegen die Militärführung. Aber selbstverständlich betrifft das vor allem den Chef des Ganzen, also Putin selbst. Denn er hat ja bewiesen, dass er diese Dinge nicht unter Kontrolle halten kann.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 24.06.2023, 18.00 Uhr ; 

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