Was ist in Russland los?
Der Machtkampf zwischen dem russischen Militärunternehmer Jewgeni Prigoschin und der Staatsführung ist eskaliert. Der Chef der Wagner-Truppe hatte in der Nacht auf Samstag mit seinen Söldnern von der Ukraine her die Grenze zu Russland überschritten und zum Aufstand gegen die Armeeführung in Moskau aufgerufen. In Moskau wurde der Anti-Terror-Notstand verhängt.
Die Söldner der Wagnertruppen ziehen Richtung Moskau: die Bilder
Wo befinden sich die Wagner-Truppen?
Prigoschins Wagner-Truppen besetzten seit Samstagmorgen die südrussische Grossstadt Rostow am Don. Prigoschin kontrollierte alle Militäreinrichtungen der Stadt: «Unter unserer Kontrolle befinden sich die Militärobjekte Rostows, darunter auch der Flugplatz.» Laut russischen Sicherheitskreisen drangen die Wagner-Truppen am Samstagnachmittag auch in die Stadt Woronesch vor, die rund 500 Kilometer von Moskau entfernt liegt. Sie waren weiter in Richtung Moskau unterwegs und kamen bis 200 Kilometer vor Moskau.
Am Samstagabend hat dann Prigoschin gemäss eigenen Angaben das Vorrücken auf Moskau abgebrochen und seine Truppen zurück in die Kasernen beordert. Offenbar kam es zu einem Deal zwischen Prigoschin und dem Kreml: So gibt es gemäss Kreml keine Strafverfahren gegen Prigoschin und seine Truppen, der Anführer Prigoschin werde nach Belarus ausreisen. Über weitere allfällige Zugeständnisse des Kremls ist nichts bekannt.
Was will Prigoschin?
Der Söldner-Chef steckt in einem Machtkampf mit dem russischen Verteidigungsministerium. Vor kurzem kam die Anordnung, dass sich alle Freiwilligenverbände, auch Söldnertruppen, in Russland vertraglich bis Ende Juni an das Verteidigungsministerium binden sollen, um ihre Existenz auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. Prigoschin will nicht unterschreiben, weil dies in seinen Augen Unterordnen bedeuten würde. Prigoschin hatte deswegen wohl die Entscheidung getroffen, gegen die Militärs vorzugehen.
Was ist die Wagner-Gruppe?
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Die Gruppe Wagner, die sich nun gegen die russischen Streitkräfte gerichtet hat, besteht aus einem Netzwerk von russischen Söldnern, entstanden beim Angriff auf die ukrainische Donbass-Region 2013/2014. Der Name soll auf einen früheren Militärgeheimdienst-Offizier mit Decknamen «Wagner» zurückgehen. Als Gründer und Financier tritt heute Jewgeni Prigoschin auf.
Offiziell existiert die Organisation nicht, denn Söldnertruppen sind in Russland per Strafgesetz verboten. Trotzdem sind oder waren Wagner-Söldner seit Jahren in Syrien, Libyen und mehreren afrikanischen Staaten aktiv. Ebenso in der Ukraine. Bisher kämpften die Söldner auf der Seite der Russen im Angriffskrieg gegen die ukrainischen Truppen.
Wie viele Söldner im Einsatz sind, ist nicht genau bekannt. Die US-Regierung schätzt ihre Zahl auf 50'000 und hat Sanktionen gegen die als «bedeutende transnationale kriminelle Organisation» eingestufte Gruppe verhängt.
Die paramilitärischen Wagner-Einheiten gelten als skrupellos und sind wegen ihrer Brutalität gefürchtet. Nicht selten werden sie aus Gefängnissen rekrutiert.
Prigoschin ist ein reicher russischer Geschäftsmann, dem Nähe zu Präsident Wladimir Putin nachgesagt wurde. «Putins Koch» wird er oft genannt, weil er einst ein Restaurant in St. Petersburg betrieb, in dem Putin zu speisen pflegte.
Wie reagiert Putin?
Russlands Präsident Wladimir Putin sprach in einer Fernsehansprache von «Verrat». Wer Waffen erhebe und bewaffneten Aufstand organisiere, werde bestraft, sagte Putin. Der Kremlchef forderte die Wagner-Kämpfer auf, ihre Teilnahme an kriminellen Handlungen umgehend zu beenden. «Die Situation ins Rostow ist schwierig», räumte Putin ein. Aber man werde siegen. Gegen Prigoschin wurden Ermittlungen wegen eines versuchten bewaffneten Aufstands eingeleitet. Der Inlandsgeheimdienst FSB hatte die Wagner-Söldner aufgerufen, Prigoschin festzusetzen.
Wie reagiert die Ukraine?
In der Ukraine wird die jüngste Entwicklung im Nachbarland genau verfolgt. Präsident Wolodimir Selenski betonte: «Jeder, der den Weg des Bösen wählt, zerstört sich selbst.» Der bewaffnete Aufstand sei ein klares Zeichen für Putins Schwäche, schrieb Selenski. «Lange Zeit bediente sich Russland der Propaganda, um seine Schwäche und die Dummheit seiner Regierung zu verschleiern. Und jetzt ist das Chaos so gross, dass keine Lüge es verbergen kann.» Ein führender Berater des ukrainischen Präsidenten ist überzeugt: «Die nächsten 48 Stunden werden über den neuen Status von Russland entscheiden», so Mychajlo Podoljak. Einer müsse auf jeden Fall verlieren, entweder Prigoschin oder seine Gegner: «In Russland fängt alles gerade erst an».
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