Zum Inhalt springen

Zwielichtiger Wagner-Chef Der Mann, der Putins Truppen mit Kanonenfutter versorgt

Vom verurteilten Strassenräuber ist Jewgeni Prigoschin zu einem wichtigen Kopf im russischen Krieg gegen die Ukraine geworden.

2007: Der weltberühmte Cellist Mstislaw Rostropowitsch feiert Geburtstag – nicht irgendwo, sondern im Kreml. Anwesend sind Präsident Wladimir Putin und viele illustre Gäste aus aller Welt. Im Hintergrund steht ein bulliger, glatzköpfiger Mann im Anzug. Es ist Jewgeni Prigoschin, bekannt als «Putins Koch».

Der Unternehmer aus Putins Heimatstadt Sankt Petersburg war jahrelang für das Catering an Staatsbanketten zuständig. Heute versorgt er Russlands Armee mit Kanonenfutter: Prigoschins Söldnergruppe Wagner kämpft im Krieg gegen die Ukraine ohne Rücksicht auf Verluste.

Begonnen hat alles mit einem Hot-Dog-Stand

Die Gruppe Wagner hat Tausende ihrer Söldner in den Gefängnissen Russlands rekrutiert. Prigoschin selbst besucht dabei oft die Strafanstalten, um die Häftlinge anzuwerben, wie Videos im Netz zeigen.

Damit kehrt er zu seinen Wurzeln zurück: Prigoschin war Strassenräuber, gegen Ende der Sowjetzeit verbrachte er deshalb neun Jahre im Gefängnis. Nach seiner Entlassung betrieb Prigoschin einen eigenen Hot-Dog-Stand. Nur wenige Jahre später war er Mitinhaber zweier der angesagtesten Restaurants Sankt Petersburgs.

In den wilden 90er-Jahren in Russland waren solch steile Karrieren keine Seltenheit. Wie viele andere nutzte Prigoschin mutmasslich seine Verbindungen in die russische Unterwelt.

Des Kremls Mann fürs Grobe

Und Prigoschin verstand es auch immer, ausserhalb seines Umfelds Allianzen zu schmieden. Er kennt Popstars und Politiker, die er in seinen glamourösen Lokalen bewirtet hat. Die wichtigste Bekanntschaft schloss er mit Wladimir Putin, damals noch Vizebürgermeister von Sankt Petersburg.

Inszenierung an der Kriegsfront

Box aufklappen Box zuklappen
Prigoschin.
Legende: Getty/Mikhail Svetlov

Lange zog es Jewgeni Prigoschin vor, im Hintergrund zu agieren. Er gab kaum Interviews und stritt seine Verbindung zu Wagner und seine Zeit im Gefängnis ab. Doch seit der Grossinvasion der Ukraine ist das anders. Prigoschin inszeniert sich an der Front, lässt sich filmen, wie er seine Söldner besucht und sich im rauen Jargon eines Ex-Häftlings mit ihnen unterhält.

Nach Putins Wahl zum russischen Präsidenten 2000 durfte Prigoschin nicht nur an Kreml-Banketten wirten. Seine Catering-Firma erhielt auch staatliche Aufträge, etwa Schulen oder die Armee mit Essen zu versorgen.

Mit der Zeit, so sagen Expertinnen und Experten, wurde Prigoschin für den Kreml sodann zum Mann fürs Grobe. Er organisierte jene zwielichtigen Tätigkeiten, die die staatlichen Organe lieber auslagerten. So betrieb eine von Prigoschins Firmen die Trollfabriken, die den Social-Media-Diskurs in den USA zu beeinflussen versuchten.

Und ab 2014 standen Prigoschins Wagner-Söldner im ostukrainischen Donbass und in Syrien im Dienste Russlands im Einsatz.

Die Feinde lauern in Geheimdienst-Kreisen

Inzwischen richtet Prigoschin auch Kritik an Russlands Militärführung und bauscht die Bedeutung seiner Söldner auf. «Prigoschin hat entschieden, an die Öffentlichkeit zu kommen. Er hält das wohl für eine Chance, sich zu profilieren», sagt Sergej Sawelew von der russischen Häftlings-NGO Gulagu.net.

Prigoschin hat entschieden, an die Öffentlichkeit zu kommen. Er hält das wohl für eine Chance, sich zu profilieren.
Autor: Sergej Sawelew Arbeitet für gulagu.net

Doch dass Prigoschin zu einem neuen starken Mann in Russlands Regierung werden könnte, glauben Russlandkenner nicht. Für die Machtelite im Kreml, die vor allem aus dem Geheimdienst stammt, ist Prigoschin kein Insider, sondern ein Ganove und ein Parvenü. Mit seinem kruden Auftreten hat er einige Figuren verärgert, die Putin letztlich näher stehen als er selbst.

Prigoschin, der Strassenräuber, der sich bei der russischen High Society anbiederte, war übrigens auch mit dem erwähnten, berühmten Cellisten Rostropowitsch befreundet. Schon immer war es Prigoschins Stärke, mächtige Verbündete zu finden. Mit dem Versuch, im Ukraine-Krieg seine eigene Macht auszubauen, macht er sich nun jedoch vor allem Feinde.

Rendez-vous, 8.2.2023, 12:30 Uhr

Meistgelesene Artikel