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Ausgesetzte Mitgliedschaft «Die Interessen Ungarns sind in der EVP besser aufgehoben»

Die rechtsnationale ungarische Partei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orbán will nun doch in der konservativen Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei – kurz EVP – bleiben. Die Fidesz-Mitgliedschaft in der EVP ist seit März ausgesetzt. Hintergrund sind antieuropäische Äusserungen aus Orbans Partei. Ulf Brunnbauer, Historiker und Ungarn-Kenner, sagt, ausschlaggebend für den Verbleib sei letztlich, wer neuer EU-Kommissionspräsident werde.

Ulf Brunnbauer

Historiker

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Brunnbauer ist wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung sowie Inhaber des Lehrstuhls für die Geschichte Südost- und Osteuropas an der Universität Regensburg.

SRF News: Wie erklären Sie sich Ungarns Meinungsumschwung?

Ulf Brunnbauer: An dem Beispiel zeigt sich wieder einmal, nach der Wahl ist vor der Wahl. In diesem Fall geht es um die Besetzung wichtiger Posten in der EU-Kommission und andere wichtige europäische Topjobs. Bald geht es auch um den Finanzrahmen der EU: Angesichts dessen sieht Fidesz unter Orbán die Interessen Ungarns besser aufgehoben, wenn sie in der EVP bleibt.

Die EVP hat die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei im März ausgesetzt. Ist die EVP grundsätzlich daran interessiert, Fidesz wieder aufzunehmen?

Weite Kreise der EVP schon. Denn das Gewicht der EVP verlagert sich zunehmend in Richtung des östlichen Europas, wo viele Mitglieder mit Orbán und seiner Politik sympathisieren. Nur zwischen Manfred Weber (Fraktionsvorsitzender der EVP, Anm. d. Red.) und Orbán scheint es wirklich zum Bruch gekommen zu sein. Orbán selbst hat eine heftig kritisierte Justizreform auf Eis gelegt – als ein Zeichen dafür, dass er bereit ist, einige der Forderungen der EVP zur Reaktivierung der Mitgliedschaft zu akzeptieren.

Manfred Weber
Legende: Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der EVP, hat das Heu nicht auf der gleichen Bühne wie Orbán. Keystone

Sehen Sie eine Versöhnung zwischen den EVP-Parteien und der Fidesz?

So eine könnte ich mir im Rahmen des Europäischen Parlaments durchaus vorstellen. Man muss aber auch berücksichtigen, dass sehr viel im Fluss ist. Entscheidend wird sein, wer von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat als Kommissionspräsident vorgeschlagen wird.

Wenn ein anderer Kommissionspräsident als Manfred Weber vorgeschlagen wird, hat man sich dieses Problems elegant entledigt.

Wird tatsächlich Manfred Weber vorgeschlagen, stellt sich die Frage: Werden die Fidesz-Abgeordneten für ihn stimmen oder nicht? Wenn Sie das nicht tun, wird eine Wiederaufnahme in die EVP sehr unwahrscheinlich. Wenn aber ohnehin ein anderer Kommissionspräsident vorgeschlagen wird, hat man sich dieses Problems ganz elegant entledigt. Und dann würde ich eher davon ausgehen, dass die Fidesz in der EVP-Familie verbleibt.

Das Gespräch führte Susanne Stöckl.

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