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Armut auf dem Inselstaat Neuseeland laufen die Menschen davon

Eine Auswanderungswelle hat Neuseeland erfasst. Dies ist vor allem auf die wirtschaftliche Situation zurückzuführen.

Kurz und zugespitzt ausgedrückt: Neuseeland laufen die Menschen davon. Im Februar 2025 sind über 70'000 Personen ausgewandert, das ist die bis jetzt höchste registrierte Zahl.

Zurückzuführen sei dies auf wirtschaftliche Gründe, sagt SRF-Ozeanien-Korrespondent Urs Wälterlin. «Neuseeland befindet sich in einer technischen Rezession. Das ist zumindest teilweise noch eine Folge der Coronakrise. Das BIP schrumpft, während die Lebenshaltungskosten steigen», so Wälterlin.

Ein als Samichlaus verkleiderter Mann bettelt auf der Strasse
Legende: Armut und Obdachlosigkeit haben in Neuseeland zugenommen. Imago / Donald Laine Smith / Archiv

Alles wird teurer. Die Preise für Lebensmittel, Immobilien und Mieten steigen. Sogar die Milch ist teuer, und das in einem Land, das sehr viel davon produziert. Das Einzige, was nicht ansteigt, sind die Löhne – die stagnieren. Im Nachbarland Australien verdiene man deutlich mehr, sagt Wälterlin. Australien ist drei Stunden Flugreise entfernt.

Im Durchschnitt sind die Löhne dort um 26 Prozent höher. Und in Industrien wie im Bergbau kann man noch weitaus mehr Geld verdienen, je nach Standort. In einer Mine – sei dies Kohle, Eisenerz oder Zink – verdient ein Ungelernter umgerechnet 80'000 Franken. Und hat man einen Beruf, der gesucht ist, etwa Dieselmechaniker, kann man bis zu 140'000 Franken verdienen. Dazu kämen noch Vergünstigungen und Zusatzleistungen, wie Wälterlin sagt.

Inflation nach der Pandemie

Die Coronapandemie war weltweit eine Herausforderung für die Wirtschaft. In Neuseeland seien die Grenzen frühzeitig geschlossen worden, und die Regierung unter Premierministerin Jacinda Ardern habe mit Konjunkturmassnahmen reagiert. Das hat die Inflation angetrieben und die Immobilienpreise sind gestiegen.

Die neuseeländische Zentralbank hob rasch die Leitzinsen an, um die Inflation gering zu halten. «Gleichzeitig stoppte die Regierung die fiskale Unterstützung für die Firmen», sagt Wälterlin. Das hatte zur Folge, dass die neuseeländische Wirtschaft in eine Rezession fiel.

Ein Obdachloser schläft auf der Strasse
Legende: Armut zwingt viele Leute zum Auswandern. Imago / Depositphotos / Archiv

Doch dass es der neuseeländischen Wirtschaft so schlecht gehe, habe nicht nur mit den Folgen der Coronapandemie zu tun, sondern es gebe grundlegende strukturelle Probleme, sagt Wälterlin. «Neuseeland lebt wirtschaftlich primär von Landwirtschaft und Tourismus und im Vergleich mit anderen Ländern ist die Produktivität schwach.» Die Wirtschaft sei viel zu wenig breit aufgestellt.

Förderung des Bergbaus

Die aktuelle Regierung unter Christopher Luxon von der National Party will die neuseeländische Wirtschaft aufbauen. Sie pumpt Mittel in die Förderung des Bergbaus und des Tourismus, nur: Ob dies den Kiwis – so nennen sich die Neuseeländerinnen und Neuseeländer selbst – kurzfristig beim Einkaufen im Supermarkt etwas bringe, daran zweifelt SRF-Korrespondent Wälterlin sehr.

Neueeländisches Geld
Legende: 400'000 Menschen sind in Neuseeland auf staatliche Hilfe angewiesen. Getty Images / Naomi Rahm

400'000 von insgesamt 5.2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern des Landes sind auf staatliche Unterstützung angewiesen. «Nahrungsmittelunsicherheit und Obdachlosigkeit haben deutlich zugenommen. Es gibt in Neuseeland tatsächlich Menschen, die hungern», sagt Wälterlin. Deshalb sei nachvollziehbar, dass viele ihr Glück im Ausland versuchten.

Die Abwanderungsbewegung hat den Nachteil, dass viel Know-how verloren geht. Die Regierung versucht vorzubeugen, indem sie Einwanderer aus Asien aufnimmt. Frühere Regierungen hätten schon an ihre Landsleute appelliert, zurückzukommen. «Dieser Appell an den Patriotismus der Kiwis hatte keinen Erfolg», sagt Wälterlin.

SRF 4 News, 14.5.2025, 6:50 Uhr ; 

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